Affenpocken – Verschwörung(stheorie) für Fortgeschrittene …

… und einige Gedanken zu prospektiven Tests einer solchen Theorie

Wenn man „Affenpocken“ in Internetsuchmaschinen eingibt, kommen als erstes Agenturmeldungen von Reuter und Co, die „Verschwörungstheorien“ zu Affenpocken entlarven. Da fragt sich die geneigte Leserin: Warum muss das so prominent erwähnt sein? Wir prüfen, was genau Anlass zu einer Verschwörungstheorie gegeben haben könnte und wie man allenfalls diese Verschwörung prospektiv, also in die Zukunft hinein, überprüfen könnte.

Affenpocken

Affenpocken, so lernt man aus einer jüngst im Journal of the American Medical Association (JAMA) publizierten Informationskolumne,[1] sind ein an sich für Menschen relativ harmloses Virus aus der Pockenfamilie, dessen Endwirt nicht der Mensch, sondern kleine Nager wie Ziesel, Präriehunde etc. sind. Als DNA-Virus ist das Affenpockenvirus wesentlich stabiler und mutiert daher auch nur langsam und wenig. Der Arzt und Biochemiker, der unter dem Pseudonym Jochen Ziegler auf Achgut schreibt, hat einen sehr lesenswerten Beitrag dazu geschrieben. Daher brauche ich das nicht zu wiederholen.

Normalerweise erkranken in unseren Breiten pro Jahr 2–4 Leute daran; die Infektiosität ist gering und liegt unter R0=1. Das heißt, ein Erkrankter steckt im Normalfall weniger als einen anderen an. Daher ist die Gefahr einer Epidemie vernachlässigbar, wenn man die Ausschläge der Kranken nicht berührt bzw. ihnen nicht zu nahekommt. Zum Vergleich: Rlag zu Beginn der SARS-CoV2 Ausbreitung bei ca. 2,5 bis 3 und ist offenbar mit der Omikron-Variante höher. Die Zahl liegt für typische Virenerkrankungen wie Masern bei etwa 6–8.

Offenbar ist ein nicht unerheblicher Teil der an Affenpocken Erkrankten in den USA der homosexuellen Szene zuzurechnen, die sich die Erkrankung bei homosexuellem Geschlechtsverkehr zugezogen haben. Deswegen tauchen bei diesen Leuten die Pusteln untypischerweise nicht an Händen oder im Gesicht, sondern um die Anal- und Penisregion auf. Aber man hüte sich davor, von einer sexuell übertragbaren Erkrankung zu reden; das wäre wohl politisch unkorrekt.

Also ist von normalen Affenpocken in unseren Breiten nicht viel zu befürchten, zumal sie ähnlich wie andere Tierpockenkrankheiten – man denke an die Kuhpocken, denen Jenner einen der ersten Pockenimpfstoffe zu verdanken hatte – relativ wenig aggressiv sind und gut behandelbar. Außerdem ist der Impfschutz gegen Menschenpocken auch gegen Affenpocken wirksam und der dürfte bei einem großen Teil vor allem der älteren Weltbevölkerung vorhanden sein.

Woher also die Aufregung? Woher das „Verschwörungsnarrativ“, habe ich mich gefragt. Und habe ein bisschen gestöbert und bin fündig geworden:

Die Affenpockenübung der Nuclear Threat Initiative und der Münchener Sicherheitskonferenz fand im März 2021 statt und wird in einem Bericht vom November 2021 beschrieben.

Wenn man auf die Seite der Nuclear Threat Initiative geht (www.nti.org) und nach „Monkeypox“ sucht, findet man den Bericht nicht. Man muss auf „Reports“ bei „Analysis“ gehen und sich in der Zeit rückwärts bis zum November 2021 bewegen. Dann findet man den Bericht und kann ihn als PDF herunterladen [2].  

Der Bericht beschreibt eines der beliebten Planspiele, das die Münchener Sicherheitskonferenz zusammen mit der Nuclear Threat Initiative (NTI) im März 2021 ausgerichtet hat. Die NTI ist eine der vielen Stiftungen, die sich über die Analyse nuklearer Gefahren gebildet hat. Sie hat sich nun zusammen mit Margaret Hamburg, der Vizepräsidentin der NTI, des Themas Biosicherheit angenommen. Das hat die Dame schon beim Event 101, dem Planspiel im Oktober 2019 getan, als geübt wurde, wie ein verändertes Coronavirus aus Südamerika kommend die Welt überschwemmt. Das ist ja dann, wie wir wissen, in etwas anderer Form und aus anderen Weltgegenden kommend im Dezember 2019 tatsächlich so ähnlich passiert; die Vorgeschichte und diese Übung sind von Paul Schreyer sehr gut dokumentiert worden [3]. Daher möge man Nachsicht mit den aufgeregten Geistern üben, die jetzt, nachdem sie etwas Ähnliches sehen, „Alarm“ schreien: Eine Übung zu einem an sich harmlosen und unauffälligen Erreger findet statt, etwa ein halbes Jahr, bevor die Meldungen über die ersten Kranken durch die Medien geistern. Zufälligerweise hat dieses Szenario die Zeit des Ausbruchs, Mai/Juni 2022, ziemlich präzise vorweggenommen.

Das ist sicher alles nur purer Zufall. Apropos Zufall. Hier ist eine kleine Herausforderung für unsere Wissenschaftsjournalisten, die das sicher rascher hinkriegen als ich: Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass aus dem großen Pool aller denkbaren Erreger, die bei Menschen irgendwelche Erkrankungen auslösen können – von Krätze bis Polio, von Darmwürmern bis Elephantiasis, von Affenpocken bis Covid-19-Pneumonie – dass genau derjenige in einer Übung diskutiert wird, der dann 6 Monate später ziemlich genau zu der Zeit, wie in der Übung antizipiert, tatsächlich auftaucht?

Ich habe versucht, selber eine solche Rechnung aufzumachen, bin aber gescheitert. Denn dazu müsste man die Zahl aller möglichen Erregertypen kennen, und die ist anscheinend nicht so leicht zu finden. Vielleicht war ich zu faul. Aber die, die ich gefragt hatte, wussten es nicht. Nehmen wir mal als Zahl 103 an, also 1.000 Erregertypen. Dann wäre die Wahrscheinlichkeit, dass eine von diesen ausgewählt wird, 1/103, oder 10-3, wenn man von gleichen Wahrscheinlichkeiten, also einem unverzerrten Würfel, ausgeht. Wenn nun die genau gleiche, ausgewählte Erkrankung tatsächlich auftaucht, und zwar prominent, dann wäre, wenn ich mich nicht täusche, die Wahrscheinlichkeit 10-3 * 10-3, also 10-9. Das wäre eine Wahrscheinlichkeit, die in allen wissenschaftlichen Kontexten nicht mehr mit dem Zufall vereinbar ist und wo wir von einer Systematik, oder sehr, sehr großem Glück oder Pech ausgehen würden. Nicht unmöglich, aber sehr unwahrscheinlich, eben 10-9, eins zu einer Milliarde. Nicht eingerechnet sind in diese Pfahlbaumathematik Zeitkonstanten, unterschiedliche Prävalenz von Erregern etc., die das Bild natürlich verkomplizieren.

Aber einfach aufgrund dieser einen simplen Überlegung kann man verstehen, wie Leute auf die Idee kommen, dass da etwas im Hintergrund Geplantes abläuft. Ich fordere alle auf, die sich mit diesen Ausgangswahrscheinlichkeiten auskennen, das etwas präziser zu berechnen. Ich finde, das wäre eine dankenswerte Aufgabe für die Wissenschaftsredakteure der großen Zeitungen und Talkshows. Die kennen ja bestimmt jede Menge kluger Köpfe, die das ausrechnen können. Dann kann man die Wahrscheinlichkeit, dass so etwas zufällig passiert, breit kommunizieren und entzieht so allen Verschwörungstheorien den Boden. Denn dann wüsste man: Es war quasi zufällig, weil solche Zufälle ganz leicht passieren können.

Das Szenario

Das Interessante an dem Übungsszenario ist: Es ist gar kein richtiges normales, natürliches Affenpockenvirus, sondern ein von einem terroristischen Staat namens Brinia, der neben einem ebenso fiktionalen Staat Arnica liegt, durch Bioengineering richtig scharf gemachtes Affenpockenvirus, das in einem Biowaffenlabor mit unzureichender Sicherheitstechnik erzeugt, dort geklaut oder von dort freigesetzt wurde. Das ist natürlich reine Erfindung, denn solche Schurkenstaaten, die die Biowaffenkonvention umgehen und Viren infektiöser machen, gibt es ja gar nicht in Wirklichkeit. Am Ende sind 3 Milliarden Menschen krank und 270 Millionen davon gestorben, weil nämlich die Case-Fatality-Rate, also das Verhältnis von Toten zu Kranken, 1:10 ist. Jeder zehnte Kranke stirbt in dem Szenario.

Denn – großer Unterschied zu den normalen Affenpocken – die laborveränderten Spielaffenpocken sind so verändert, dass die normale Immunität, die viele Menschen noch durch die alten Pockenvakzine haben, nicht greift. Daher kann man auch die alten Impfstoffe nicht einfach rasch wiederbeleben und verteilen, sondern muss ganz neue entwickeln. Wie praktisch, dass es da schon die mRNA- und Vektorimpfplattformen gibt, die man für SARS-CoV2 entwickelt hat.

Die müssen jetzt rasch angeworfen werden. Idealerweise, so am Ende der Vorschlag der Truppe, die dies spielt, sollte es wenige Produzentenstaaten geben, die das eben gut können, die dann alle anderen beliefern (und von ihnen natürlich bezahlt werden). Juhu, Deutschland kann jubeln und wird „Impfweltmeister“. Das hat Kanzler Olaf Scholz als Kanzlerkandidat übrigens im Wahlkampf vor der brandenburgischen Wirtschaftskammer geäußert als seinen Plan, wie man den großen Corona-Schuldenberg abtragen könne, wie mir ein Teilnehmer versicherte, der Scholz auf dieser Veranstaltung gehört hat: Deutschland wird „Impfweltmeister“. 

Eine neue internationale Entität zur Kontrolle von Bio-Risiken

Die vielleicht interessanteste Idee: Es muss eine neue internationale „Entität“ her, also eine Organisation. Das könnte eine neue NGO sein, ein UNO Gremium, irgendwas, das beratende und Kontrollfunktion hat. Denn, so die Logik, es gibt schon jetzt unzählige „dual-use“ Laboratorien, die mit gefährlichen Erregern hantieren und es wird in Zukunft um einige mehr geben. Denn auch die Länder, die bislang keine hatten, werden sich solche zulegen wollen und „dual-use“-Forschung machen. Das gehört kontrolliert. Die Länder brauchen Beratung. Es soll auch eine Instanz geben, die einen Überblick hat, wer wo mit welchem Erreger in welche Richtung forscht, damit, falls mal wieder so ein dummer Unfall wie bei Covid-19 passiert, man schnell reagieren und allenfalls den Schurkenstaaten rechtzeitig in die Speichen greifen kann.

Klingt klug. Aber eigentlich ist es ein Skandal. Denn dahinter stecken zwei, ja vielleicht sogar drei implizite Annahmen und Eingeständnisse. „Dual-use“ heißt nämlich Forschung, die man sowohl zu wohltätigen Zwecken, nämlich zum Erkenntnisgewinn und zur Entwicklung von Impfstoffen durchführt, als auch zu kriegerischen Zwecken. Nein, natürlich nicht, um Biowaffen herzustellen. Das verbietet schließlich die Biowaffenkonvention, die alle Staaten, sogar die USA, Russland und China unterzeichnet haben. Aber man kann nie wissen. Es könnte ein Brinia oder sonst ein Schurkenstaat kommen und die Biowaffenkonvention unterlaufen. Dann ist es sehr wichtig zu wissen, was der alles im Arsenal haben könnte, um sich verteidigen zu können. Dann kann man nämlich proaktiv reagieren, hat vielleicht schon einen Impfstoff entwickelt, etc. Diese „Dual-use“-Forschung und vor allem der Ruf nach ihrer zentralen Kontrolle und Registrierung ist letztlich ein klares Eingeständnis der Tatsache, dass wir einer dauernden Gefahr durch solche Forschung ausgesetzt sind. Aus meiner Sicht ist es auch ein Eingeständnis der Tatsache, dass wir die Covid-19-Pandemie dieser Forschung zu verdanken haben.

Wie wäre es, wenn man auf die Idee käme, diese Forschung einfach weltweit zu ächten? Nein, das liegt dem Affenspielpanel dann doch zu weit ab. Sie gehen vielmehr davon aus, dass sich die Zahl der Bio-Sicherheitslabore in den nächsten Jahren vervielfachen wird, vor allem in Ländern Afrikas und Asiens, die bislang noch keine solche Forschung oder wenig davon haben. Daher bleibt wohl nur: Daten aufnehmen und die Labore beraten. Man könnte auch sagen, das ist die Kapitulation vor der Macht des Faktischen. Ich finde es erschreckend, dass ein solches Planspiel nicht mal in Ansätzen auf die Idee kommt, die Problematik dieser „Dual-use“-Forschung zu hinterfragen. 

Lockdown hart

Bei den Affenpocken ist klar: Es gibt von Anfang an keinerlei Zögern. Denn die Staaten, die zögern hart durchzugreifen – das hat man ja schließlich in der Covid-19 Pandemie gelernt – haben enorm hohe Zahlen an Toten zu beklagen. Daher: Lockdown hart und schnell, sonst hilft rein gar nichts. Entsprechend werden die harten Durchgreifer mit moderaten Opferzahlen in dem Modell belohnt, während die andern eben leiden. Habt Ihr es jetzt endlich kapiert, Ihr Corona- und Affenpockenleugner? 

Impfsteuer

Man stellt auch fest, dass es viel zu wenig Kapazität gibt, Impfstoffe herzustellen. Die müssen rasch und schnell erzeugt werden. Neu natürlich. Denn die Genetik des neuen Affenpockenvirus ist anders als die des Wildtpys. Da man immer wieder mit solchen Dingen rechnen muss, sollten dauernde Geldflüsse von jährlich 10 Milliarden USD über die nächsten 10 Jahre eingeplant werden. Denn der Markt für Covid-19 Vakzine ist ja jetzt schon 150 Milliarden Dollar groß. Also sollte ein Dauertopf von dieser Größenordnung eingerichtet werden, in den alle Staaten einzahlen. Und die Verwaltung dieses Topfes sollte „executive power“ erhalten. Auf Deutsch: Alle Staaten zahlen eine Pandemiebekämpfungssteuer. Normalerweise hat ja der Staat und in Grenzen der Wähler, indem er Parteien entsprechend der Wahlprogramme wählt, die Macht, über die Steuervergabe zu entscheiden. Das ist hier anders. Hier haben die Staaten keine Macht mehr, darüber zu entscheiden, wie diese Pandemiesteuer benützt wird. Sondern?

Pandemierat

Trara: An der Stelle zaubert das Szenario ein ganz neues, rosarotes Kaninchen aus dem Hut. Die oben schon erwähnte neue internationale Behörde. Für die muss man sich erst einen Namen ausdenken. Ich schlage vor, „internationaler Pandemierat“. Diese Behörde hat die exekutive Macht – ja, muss man sich auf der Zunge zergehen lassen: Macht – über das Geld zu entscheiden, das die Länder einzahlen, also z. B. Impfstoffe herstellen lassen, etwa von bestimmten Firmen. Sie hat die Macht, diese Impfstoffe zu ordern und zu vergeben. Alles natürlich in diesem Planspiel, klarerweise, nicht in Wirklichkeit.

Wissenschaftskontrolle

Und der ganz neue Wurf: Journale und Editoren sollen im Vorfeld einen Biosecurity-Review installieren, damit gefährliche Information gar nicht erst publiziert wird. Das ist gar nicht dumm. Denn wären bestimmten Informationen über neue Virenmanipulationen wie [4] nicht publiziert worden, dann wäre es etwas komplexer geworden nachzuvollziehen, was da bei der SARS-CoV2 Pandemie eigentlich passiert ist. Ich halte es für komplett naiv zu glauben, dass die Welt ein sichererer Ort wird, wenn die Labore, die solche Forschung machen, die Ergebnisse nicht mehr in Science, Nature oder Cell publizieren können. Dann behalten die Labore ihr Wissen für sich und tauschen sich informell aus. 

Aber man kann so einen neuen Biosecurity-Review natürlich auch dazu verwenden, unliebsame Information auszubremsen: Wenn Wissenschaftler Informationen publizieren wollen, die dem, was der Pandemierat entscheidet, widerspricht, dann greift kurzerhand dieser neue Bio-Security-Review. Wo kommen wir denn hin, wenn die Walachs, Ioannidisse und andere Wirrköpfe dieser Welt einfach publizieren können, was sie für richtig ansehen? Die Journale arbeiten natürlich freiwillig zusammen. 

O-Ton: „Support effective pre-publication biosecurity review. The entity could collaborate with editors and publishers to improve biosecurity review of manuscripts and reduce the risks of public release of information hazards (i.e., information that may increase risks of intentional misuse of bioscience knowledge and biotechnology capabilities).“

Deutsch: „Unterstützung wirksamer Biosicherheitsbegutachtung vor der Publikation. Die Organisation (mein Pandemierat) könnte mit Herausgebern und Verlagen zusammenarbeiten, um die Biosicherheitsbegutachtung von Manuskripten zu verbessern und das Risiko zu verringern, dass informative Gefahren freikommen (z.B. Informationen, die das Risiko absichtlichen Missbrauchs von Biosicherheitswissen und biotechnologischer Fertigkeiten beinhalten)“

Man will ja nur das Beste: dass keine gefährlichen Informationen über Erreger freikommen, so wie man auch gefährliche Erreger im Labor behalten sollte. Informationen sind mindestens so infektiös wie Erreger. Gut erkannt. Daher: allgemeine Zusammenarbeit und Kontrolle.

Es sind natürlich auch noch ein paar sehr kluge und nicht selbstverständliche Erkenntnisse gewonnen: Man muss die Lieferketten sichern. Man tut das am besten, indem man wichtige Güter gleich mal vorab hortet, meinen die Experten. Alle Hausmänner herhören: Ab zum Netto und Klopapier, Nudeln, Dosentomaten einkaufen! 

Eine kluge Innovation: Kein binäres Pandemiekriterium, sondern gestaffelte Alarmstufen

Richtig erkannt hat das Gremium, dass die derzeitige Praxis der WHO eine Pandemie auszurufen, verbesserungsbedürftig ist. Derzeit gilt: Es gibt ein nicht-öffentlich operierendes WHO-Gremium, das aufgrund von verschiedenen Einschätzungen die Public Health Emergency of International Concern (PHEIC) erklärt, also Pandemie ja oder nein. Das sei intransparent und fehleranfällig. Stimmt. Außerdem würde dieses binäre System dazu verführen, zu lange mit Aktionen zu warten. Stimmt vermutlich auch. Daher müsse es neue Kriterien geben, die sowohl auf Länder- als auch auf internationaler Ebene erarbeitet werden sollten und die klare Auslösekriterien enthalten soll, ab wann eine Gefahrenstufe ausgerufen wird, also so eine Art Warnampel von grün, über orange bis rot; oder auch mit noch mehr Stufen. Länder sollen das auch angepasst an die Situation im jeweiligen Land tun. Das würde es Ländern erlauben, die Stufen an die lokale Situation anzupassen – Versorgungskapazitäten, Krankenhausbetten, etc. Diese Einschätzung soll ein internationaler, öffentlich tagender Expertenrat vornehmen.

Diese Idee halte ich für sehr klug. Denn die Redefinition des Pandemiekriteriums und die intransparente Handhabung haben für viel Kritik gesorgt. Auch, dass in diesem Gremium unterschiedliche Sichtweisen vertreten sein sollen, ist ein hoffnungsvolles Zeichen, sowie die Tatsache, dass Abstufungen diskutiert werden. 

Die Akteure

Wer hat sich da die Mühe gemacht, diese Gedanken auszukochen? Man findet am Anfang die Teilnehmer, die gespielt haben und hinten, auf S.27 die Experten, die das Szenario entwickelt haben. Man trifft eine ganze Reihe bekannter Namen: Die Chefs der Bill und Melinda Gates und der Rockefeller Stiftung sind dabei, der Wellcome Trust, Dr. Gao von der chinesischen Akademie der Wissenschaft, ein paar Leute von der pharmazeutischen Industrie, Margaret Hamburg, die früher bei der FDA war und jetzt Vizepräsidentin der NTI ist, Dr. Nkengasong vom afrikanischen Zentrum für Prävention und Infektionskontrolle, zwei WHO bzw. UN Repräsentanten und aus Deutschland Frau Dr. Leiss vom Zentrum für internationale Zusammenarbeit.

Auch bei den Experten trifft man auf bekannte Namen: Jennifer Nuzzo vom Center for Health Security an der Bloomberg School of Public Health; schließlich wird die Johns Hopkins University das Dashboard aufsetzen. Homeland Security ist vertreten, die Biowaffenspezialisten des US-Militärs. Neu dabei das Future of Humanity Institute in Oxford, das Nick Bostrom gegründet hat, einer der Gründerväter der Transhumanistischen Bewegung, und die größte Denkfabrik für transhumanistische Konzepte und Sicherheit gegenüber entarteter Künstlicher Intelligenz. Das Pandemic Action Network ist mit der Co-Gründerin Carolyn Reynolds vertreten. Laut Selbstdarstellungist es ein Netzwerk von über 250 Akteuren und Personen, die sich zusammengeschlossen haben, um die Covid-19 Pandemie zu beenden. Den Erfolg dieser Aktion wird man vermutlich unterschiedlich beurteilen. Aber klarerweise legt es sich nahe, in die Hände solcher Experten einiges an Entscheidungssicherheit zu legen, für die nächste Pandemie, meine ich. Könnte es sein, dass der internationale Pandemierat praktischerweise gleich dieser NGO übergeben wird? Wir werden es sehen. 

Die Parameter

Im Anhang befindet sich das Modell. Ich empfehle allen Journalisten, dieses gut zu lesen und sich die Randbedingungen einzuprägen. Denn es wäre ja denkbar, dass demnächst von RKI oder Imperial College oder einer anderen Institution ein Modell präsentiert wird, das ausrechnet, was mit der Affenpockenepidemie in Zukunft passieren wird und praktischerweise gleich einige dieser Parameter übernehmen wird. Denn das ist einfacher, als Empirie und sorgfältige Dokumentation.

Das Modell legt ein simplistisches epidemiologisches SEIR – susceptible, exposed, infected, recovered – Modell zugrunde. Simplistisch deswegen, weil keinerlei vorliegende Immunität angenommen wird und die natürliche Immunität gegen virale Erkrankungen komplett ausgeblendet wird. Dann geht das Modell davon aus, dass es milde Fälle gibt, von denen 50 % später ins Krankenhaus müssen, schwere Fälle, von denen 40 % in die Intensivstationen kommen und die Hälfte von denen stirbt, insgesamt 10 % aller Fälle. Asymptomatische Fälle gibt es nicht. Die Infektionsdauer einer leichten Infektion ist 14 Tage, die präsymptomatische Periode ist 8 Tage. Diese drei Parameter – keine asymptomatischen Fälle, die Infektionsdauer – sind die einzigen, die aus der bekannten Affenpockenliteratur entnommen sind. Alles andere ist pure Fantasie. Macht auch nichts, ist ja nur ein Spiel.

Mit diesen Modellparametern wird ausgerechnet, was passiert, wenn ein Land hart und angemessen, moderat und ganz unangemessen reagiert. Im ersten Fall sinkt die Reproduktionsrate rasch unter 1. Im zweiten Fall dauert es etwas, im dritten gelingt es nicht. Ganz so, wie bei dem völlig inadäquaten Modell, das das Imperial College und das RKI bei SARS-CoV2 vorgestellt haben [5, 6].

Das Resultat: wie gesagt 3 Milliarden Kranke weltweit und knapp 300 Millionen Tote, 10 % eben. 

Prospektive Testung

Wir können nun die bereits besprochene Strategie anwenden:

Wir überlegen uns, was geschieht, wenn dieses Szenario ein Planspiel in dem Sinne ist, dass der Affenpockenausbruch tatsächlich geplant war und wenn es ein sehr unwahrscheinlicher Zufall war, dass das Planspiel ausgerechnet Affenpocken gewählt hat.

Letzteres ist einfach: Wenn es ein Zufall war, geschieht nicht viel, außer ein bisschen medialer Hype, der eine neue Sau durchs mediale Dorf treibt, jetzt, wo Covid-19 langsam seinen Charme verliert. Aber auch das wird vergehen.

Wenn es ein Plan war, geschieht Folgendes:

Die Fallzahlen werden rasch – „exponentiell“ – steigen. Praktischerweise wird die Bloomberg School of Public Health, unter Federführung von Jennifer Nuzzo vermutlich, die das ganze ja kennt, ein Dashboard generieren, das die Fälle zählt. Parallel dazu wird eine neue Modellrechnung publiziert, vermutlich in Science oder Nature oder auf einer entsprechenden Webseite, die verblüffende Ähnlichkeit mit der im Szenariopapier haben wird. Vielleicht sogar von dessen Autoren (Yassif, O’Prey, Isaac) oder Kollegen geschrieben? Das RKI wird das Modell relativ unverändert übernehmen. Die Macrons und Söders dieser Welt werden mit markigen Reden die Bürger davon überzeugen wollen, dass wir ohne Lockdown keine Chance haben, dem Verderben zu entgehen. Die Bhakdis und Hockertz‘ dieser Welt gibt es nicht mehr. Daher wird sich diesmal kaum Widerspruch regen.

Relativ rasch werden die Drostens dieser Welt entdecken, dass das Virus eine sehr perfide „Mutation“ aufweist, die es dazu befähigt, den Impfschutz zu unterlaufen und es sehr infektiös macht, viel infektiöser, als normale Affenpocken. Daher wird in Tagesschau und Co rasch Panik verbreitet: ein neues Killervirus. Diesmal werden andere Drostens einen neuen PCR-Test entwickelt haben, der „ganz spezifisch“ für dieses Virus ist. Später wird sich herausstellen: eine Kreuzreaktion mit anderen Viren ähnlichen Typs, Hamster-, Kuh-, Mäuse-, Wind- und sonstwas-Pocken nicht ausgeschlossen. Diesmal wird die Gelddruckmaschine der PCR-Tests vermutlich nicht nach Deutschland, sondern nach Frankreich oder in die USA wandern.

Die Impfindustrie wird ihre Wasserkocher anwerfen und Impfstoff generieren. Da er ja vorher so famos funktioniert hat, werden EMA, FDA und Co alle Notwendigkeit von Studien vom Tisch wischen oder so ausdünnen, dass eine Pro-Forma-Studie in drei Monaten auf dem Tisch liegen wird und in diesem Falle vielleicht sogar schon 4 Monate nach Ausrufen der Pandemie ein Impfstoff vorliegen wird.

Vermutlich wird dann Bill Gates an Weihnachten im österreichischen und deutschen Fernsehen verkünden, dass er gnädigerweise die Milliarden vorlegt, die die Produktion und Verteilung der Impfstoffe kosten wird, aber es nett wäre, wenn die Regierungen ihre Schuld wieder begleichen werden. Dass er und seine Stiftungen dieses Geld schon längst an der Covid-19-Impfmaschinerie verdient haben, braucht dabei nicht erwähnt zu werden. Es ist ja allseits bekannt.

Die großen Verleger werden sich möglicherweise zusammentun und einen Biosecurity-Pre-Review für Arbeiten beschließen, die zu diesem Thema publiziert werden sollen. Die Interpretation von „Biosecurity“ wird weit sein. Sowohl Arbeiten, die gefährliche Erregerinformation publizieren wollen als auch solche, die sich kritisch mit der allgemeinen Denkhaltung auseinandersetzen, werden darunterfallen.

Das geht in Zeiten von AI recht einfach. Die Leute von Google und aus Oxford können dabei helfen: Man muss einfach ein paar Codewörter – Monkeypox etwa – eingeben. Ein AI-System von der Effizienz bereits erhältlicher kommerzieller Systeme prüft das Ergebnis und den semantischen Kontext und fertig ist die Zensurmaschine und schon ist Schluss mit der wissenschaftlichen Pluralität. Endlich. Haben wir. Nur noch eine. Wahrheit.

Und zeitgleich wird die UNO darüber beraten, ein neues Pandemie-Preparedness-Instrument zu schaffen. Auf jeden Fall wird es das erbetene Gremium sein, das die Pandemiesteuern der Länder einzieht und dann auf die Herstellerländer, u.a. Deutschland, die Schweiz, Kanada, die USA, China, vielleicht Indien und Nigeria, verteilt. Wir können schon jetzt anfangen, Johnson&Johnson und Merck-Aktien zu kaufen. Denn die werden wohl hochgehen, weil diese Firmen die Impfstoffe erzeugen werden.

Tja, vielleicht geschehen auch noch ein paar unvorhergesehene Dinge, z.B. dass die Bevölkerung keine Lust mehr auf Pandemiespielen hat?

Schließlich haben auch ein paar wache Köpfe gesehen: In dem Planspiel wurde der Ausbruch der Affenpocken auf Mai/Juni 2022 verlegt. Wann wurde noch der erste Fall entdeckt? Ich glaube, Mai 2022.

Das Interessante an Prophezeiungen ist: Wenn man sie ernst nimmt, verhindert man deren antizipiertes Ergebnis meistens. Das Dumme: oft werden sie nicht ernst genommen. Siehe Kassandra.

Eigentlich ist ein solches Spiel in sich skandalös. Denn es setzt voraus, ganz fraglos und selbstverständlich, dass die Biowaffenkonvention – die das Herumdoktern an biologischen Systemen, um sie gefährlicher zu machen, verbietet – nicht eingehalten wird. Es regt sich keiner mehr drüber auf, weil es überall geschieht. In den USA. In China. In Deutschland. In Frankreich und weiß der Kuckuck, wo sonst noch. Das ist der eigentliche Skandal: dass überall Gain-of-Function-Forschung getrieben wird. Dass sie zwar geächtet ist, aber niemand diese Ächtung kontrolliert oder überwacht. Am allerwenigsten unsere Presse, die eigentlich diese Funktion hätte, wenn schon die Regierungen es nicht tun. Denn wenn es das nicht gäbe, hätten wir kein SARS-CoV2 und würde man sich auch keine Gedanken über möglicherweise modifizierte Affenpocken machen müssen.

Liebe Regierungen: Wie wäre es mit effektiver Gain-of-Function-Forschungskontrolle statt mit Lockdowns? Geht ganz einfach: Geldhahn zudrehen. Liebe UN: Wie wäre es mit einem effektiven Verbot dieses Unsinns, statt mit Pandemiegremien? Ist auch nicht so schwierig: Länder, die sich nicht daran halten, werden geächtet. Liebe Presse, liebe Tagesschau: Wie wäre es mal zur Abwechslung mit einer Barrage von Filmdokus über die vielen Biowaffen- und Gain-of-Function-Labore dieser Welt und auch dieser Republik? Endlich mal was Neues!


Quellen und Literatur

  1. Harris E. What to Know About Monkeypox. JAMA. 2022. doi: https://doi.org/10.1001/jama.2022.9499.
  2. Yassif JM, O’prey Kp, Isaacn CR. Strengthening Global Systems to Prevent and Respond to High-Consequence Biological Threats. Results from the 2021 Tabletop Exercise Conducted in Partnership with the Munich Security Convference. Washington: Nuclear Threat Initiative, 2021 November 2021. Report No.
  3. Schreyer P. Chronik einer angekündigten Krise: Wie ein Virus die Welt verändern könnte. Frankfurt: Westend; 2020.
  4. Menachery VD, Yount BL, Debbink K, Agnihothram S, Gralinski LE, Plante JA, et al. A SARS-like cluster of circulating bat coronaviruses shows potential for human emergence. Nature Medicine. 2015;21(12):1508-13. doi: 10.1038/nm.3985.
  5. Ferguson N, Laydon D, Nedjati Gilani G, Imai N, Ainslie K, Baguelin M, et al. Impact of non-pharmaceutical interventions (NPIs) to reduce COVID19 mortality and healthcare demand. London: Imperial College, 2020.
  6. an der Heiden M, Buchholz U. Modellierung von Beispielszenarien der SARS-CoV-2-Epidemie 2020 in Deutschland. Berlin: Robert Koch Institut, 2020.

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