Malen nach Zahlen

Was bisher geschah

Nachdem schon erstaunlich früh klar zu sein schien, dass nur ein Impfstoff die Covid19-Pandemie beenden könne, wollte man natürlich, sobald der Heilsbringer verfügbar war, „evidenzbasiert“ beweisen, dass seine Wirksamkeit über alle Zweifel erhaben ist.

Die ersten Versuche in Luxemburg hierzu waren noch etwas unbeholfen: ohne die unterschiedliche Größe der Gruppen der Geimpften/Ungeimpften zu berücksichtigen, betrachtete man anfangs (ab KW29/2021) die schnöden Prozentsätze der jeweils positiv Getesteten dieser beiden Gruppen an der Gesamtzahl der Positiven[1]:

Wochenbericht vom 28. Juli 2021

Ein Quantensprung stellte dabei der Wochenbericht vom 20. Oktober 2021 dar: Man hatte die Inzidenzrate (Taux d’incidence) entdeckt und gab sich dieser nun hemmungslos hin[2]:

Wochenbericht vom 20. Oktober 2021

Die Welt schien in Ordnung, zumindest wenn man das Zustandekommen dieser Zahlen nicht allzu sehr infrage stellte. Die Gruppe der „Personnes non-vaccinées“ beinhaltete die „teilweise Geimpften“, also Personen, die bekanntermaßen oft nicht vernachlässigbare Impfreaktionen unmittelbar nach der ersten Dosis zu verbuchen hatten, und so die Inzidenzrate bei den „Ungeimpften“ unberechtigterweise in die Höhe trieben. Auch dass Ungeimpfte verhältnismäßig öfter getestet wurden, trug nicht unbedingt zu einer objektiven Darstellung bei[3].

Das Ende der Quarantäneverordnung durch das Gesetz vom 11. Februar 2022 beendete schließlich auch die Euphorie: in den Kalenderwochen 11 bis 13 fiel 3 Wochen in Folge die Inzidenzrate der Geimpften höher als diejenige der Ungeimpften aus (was seitdem auch zur Regel wurde).

Das Gesundheitsministerium schmiss daraufhin das Handtuch und kündigte im Wochenbericht vom 13. April 2022 an, dass die Inzidenzraten von Geimpften/Ungeimpften nicht mehr publiziert werden würden[4].

Wochenbericht vom 13. April 2022

Beim RKI konnte man wenig später eine ähnliche Reaktion beobachten. Hier war die Impfwirksamkeit aus den Inzidenzraten der Geimpften/Ungeimpften berechnet worden. Beispielsweise war für die Altersgruppe 5–11 Jahre mit Grundimmunisierung (grüne Kurve, linke Grafik) die Impfeffektivität in den Rohdaten schon seit Wochen negativ, in der Grafik wurde dies allerdings nicht angezeigt: ab KW 12 ist stattdessen eine horizontale Linie eingezeichnet[5].

Im Wochenbericht vom 5. Mai 2022 konnte man auf Seite 22 unter dem Punkt „2.2. Wirksamkeit der COVID-19-Impfung“ dann lesen[6]:

Ab dem heutigen Donnerstag sind im COVID-19-Wochenbericht des RKI keine regelmäßigen Informationen zur Wirksamkeit der COVID-19-Impfung mehr vorgesehen.[…] Stattdessen ist vorgesehen, dass das RKI in regelmäßigen Abständen separate Auswertungen zum Themenkomplex COVID-19-Impfung/Impfeffektivität veröffentlicht, die eine detailliertere Betrachtung einzelner Aspekte erlauben als im Rahmen des Wochenberichts möglich.

Da wir der Meinung sind, dass diese Daten für eine Meinungsbildung bezüglich der Covid-19-Impfung im Allgemeinen und der Impfpflicht im Besonderen von Bedeutung sind, haben wir diese Daten vom Gesundheitsministerium am 22.04.2022 schriftlich angefordert[7]. Wir haben uns dabei auf das Gesetz vom 14. September 2018 „relative à une administration transparente et ouverte“ bezogen.

Bis zu diesem Tage (27.05.2022) haben wir keine Antwort erhalten, weshalb wir jetzt ein Erinnerungsschreiben verfasst haben. Wir halten Sie diesbezüglich auf dem Laufenden.

DIY (do it yourself)

Auch wenn die Inzidenzraten nicht mehr veröffentlicht werden, sind immer noch die Fallzahlen der Geimpften und Ungeimpften getrennt in den wöchentlichen Berichten aufgeführt.

Wir möchten die nicht mehr publizierten Inzidenzraten selbst berechnen und wollen uns dabei natürlich, so weit wie möglich an der bisherigen Rechnungsmethode orientieren. Wir benötigen hierzu die:

  • Gesamtbevölkerungszahl N sowie
  • die wöchentliche Impfquote q.

Da zunächst nicht klar ist, welche Zahlen hier benutzt werden, führen wir diesbezüglich ein „reverse engineering“ durch. Für die ersten Wochen 2022 kennen wir sowohl die absoluten Zahlen der positiv Getesteten in den Gruppen der Geimpften und den Ungeimpften, sowie auch die entsprechenden Inzidenzraten.

Seien i_V und i_U die Inzidenzraten der Geimpften bzw. Ungeimpften und p_V und p_U entsprechend die Anzahl positiv Getesteter.

Für die Inzidenzraten auf 100.000 Einwohner gilt dann:

    \[ i_V = 100.000 \cdot \frac{p_V}{q \cdot N} \hspace{1cm} \text{und} \hspace{1cm} i_U = 100.000 \cdot \frac{p_U}{(1-q) \cdot N} \]

Löst man die Gleichungen jeweils nach dem Nenner auf, erhält man:

    \[ q \cdot N = 100.000 \cdot \frac{p_V}{i_V} \hspace{1cm} \text{und} \hspace{1cm} (1-q) \cdot N = 100.000 \cdot \frac{p_U}{i_U} \]

Man erhält also ein Gleichungssystem mit den Unbekannten N und q:

    \[ \begin{cases} \begin{array}{rrrcll}  &  & q \cdot N & = & 100.000 \cdot \dfrac{p_V}{i_V} & (1) \\ \\N & - & q \cdot N & = & 100.000 \cdot \dfrac{p_U}{i_U} & (2) \end{array} \end{cases} \]

Addiert man (1) und (2), so folgt:

    \[ N = 100.000 \cdot  \left( \frac{p_V}{i_V} + \frac{p_U}{i_U} \right) \]

Nach (1) gilt dann für q:

    \[ q = \frac{1}{N} \cdot  100.000 \cdot \frac{p_V}{i_V} = \frac{100.000}{100.000 \cdot \left( \frac{p_V}{i_V} + \frac{p_U}{i_U} \right) } \cdot \frac{p_V}{i_V} = \frac{p_V}{i_V \cdot \left( \frac{p_V}{i_V} + \frac{p_U}{i_U} \right)} \]

Für die ersten 13 Wochen des Jahres 2022 erhält man somit:

KW
2022
p_Vp_Ui_Vi_UNqvaccine
uptake
(ECDC)
1391567651544,111990,2659344942,72 %69,00 %
2632354051429,802807,7863473169,67 %69,70 %
3816471291831,263769,7063492670,21 %70,20 %
4798969291782,123717,0063470070,63 %70,60 %
5627347301389,742580,2363469671,12 %71,10 %
634062465749,001368,8063482471,63 %71,60 %
724651183540,90661,1063466671,80 %71,80 %
833341336728,60754,3063470872,09 %72,10 %
932681526712,80866,0063468672,24 %72,20 %
1042401728922,80986,0063472572,39 %72,40 %
11583419451268,301119,6063370972,59 %72,50 %
12710024501541,201407,7063472372,58 %72,60 %
13618119291340,501111,0063472472,65 %72,60 %

Die Inzidenzraten der ersten Woche wurden also offensichtlich falsch berechnet, für die anderen Kalenderwochen ergibt sich für die Gesamtbevölkerung ein Wert um die 634.700. Wir gehen somit davon aus, dass hier die Bevölkerung am 1. Januar 2021 in die Rechnung einging. Diese betrug zu diesem Zeitpunkt laut STATEC 634.730 Personen.

Wie die Tabelle zeigt, entspricht die Impfquote q in guter Näherung der vom Gesundheitsministerium an die ECDC übermittelten Werte des Anteils der vollständig Geimpften an der Gesamtbevölkerung (Cumulative vaccine uptake in total population in Luxembourg – Uptake of the primary course)[8]. Es ist somit davon auszugehen, dass diese Werte auch benutzt wurden.

Die Frage, wie diese Werte für die Impfquote zustande kommen, müssen wir leider unbeantwortet lassen. Alle Versuche, diese über die in den Wochenrückblicken[9] gemeldeten Zahlen vollständig Geimpfter herzuleiten, führten zu keinem befriedigendem Ergebnis.

Somit haben wir alle Daten, welche wir benötigen, um die Inzidenzraten konform zur bisherigen Vorgehensweise zu berechnen. Wir betrachten zusätzlich die Impfstoffeffektivität E, die wir bereits in einem vorherigen Artikel beschrieben haben[10]:

    \[ E = 1 - \frac{i_V}{i_U} \]

Sie stellt ein grobes Maß dar, inwiefern die Impfung das Risiko einer Infektion relativ reduziert.

Rechenbeispiel

Laut Wochenbericht vom 18.05.2022 gilt für die Anzahl von positiv Getesteten bei Geimpften und Ungeimpften[11]:

Mit der Impfquote von 72,8 % (0,728) der ECDC[7] für die entsprechende Kalenderwoche 19 gilt somit für die Inzidenzraten:

    \[ i_V = 100.000 \cdot \frac{p_V}{q \cdot N} = 100.000 \cdot \frac{2.185}{0,728 \cdot 634.730} = 472,86 \]

und

    \[ i_U = 100.000 \cdot \frac{p_U}{(1-q) \cdot N} = 100.000 \cdot \frac{519}{(1-0,728) \cdot 634.730} = 300,61 \]

Für die Impfeffektivität erhalten wir:

    \[ E = 1 - \frac{i_V}{i_U} = 1 -  \frac{472,86}{300,61}  = -0,573  = -57,3\% \]

Die auf die beschriebene Art und Weise berechneten Inzidenzraten und Impfstoffeffektivität wurden nun in einer interaktiven Online-Grafik dargestellt:

https://www.expressis-verbis.lu/stats/index.php?c=ir_eff.

Die Möglichkeit die Grafik in eine eigene Internetseite einzubinden ist ebenfalls gegeben:

<iframe src="http://www.expressis-verbis.lu/stats/index.php?c=ir_eff" style="width: 1000px; height: 350px; border:1px solid black; overflow: hidden; padding: 0;" scrolling="no"></iframe>

Fazit

Die Situation ist klar: Geimpfte werden auch im Verhältnis öfter positiv auf das SARS-CoV-2-Virus getestet als Ungeimpfte und dies gilt in zunehmenden Maße.

Es handelt sich mittlerweile dabei fast ausschließlich um symptomatische Fälle, da kaum noch im Rahmen des Contact Tracing getestet wird. Von gelegentlichen Impfdurchbrüchen kann damit schon lange nicht mehr gesprochen werden, die gleiche Entwicklung in anderen Ländern bestätigt den Sachverhalt dabei noch einmal zusätzlich.

Da bekanntermaßen die Covid-Impfstoffe keine sterile Immunität erzeugen, ist durch die Impfung keinerlei Fremdschutz gegeben. Auch trägt sie nicht zur Herstellung einer Herdenimmunität bei (dem Hauptargument bei der Impfung von Kindern!), sie verhält sich in diesem Zusammenhang sogar kontraproduktiv.

Die Verantwortlichen berufen sich im Rahmen der Coronakrise immer gern auf die Wissenschaft, welche die politischen Entscheidungen ja vermeintlich bestimmen soll. Die hier besprochenen Inzidenzraten zeigen jedoch (einmal mehr), dass sich die politische Diskussion mittlerweile von jeder Evidenz entkoppelt hat.

Quellen

[1] Ministère de la Santé: Coronavirus – Rétrospective de la semaine 28.07.2021
https://download.data.public.lu/resources/covid-19-rapports-hebdomadaires/20210728-173009/coronavirus-rapport-hebdo-20210728.pdf

[2] Ministère de la Santé: Coronavirus – Rétrospective de la semaine 22.10.2021
https://download.data.public.lu/resources/covid-19-rapports-hebdomadaires/20211020-190700/coronavirus-rapport-hebdo-20211020-vrs-2.pdf

[3] Expressis Verbis: Pandemie der Geimpften
https://www.expressis-verbis.lu/2021/11/03/pandemie-der-geimpften/

[4] Ministère de la Santé: Coronavirus – Rétrospective de la semaine 13.04.2022
https://download.data.public.lu/resources/covid-19-rapports-hebdomadaires/20220413-171851/coronavirus-rapport-hebdo-20220413.pdf

[5] RKI: Wöchentlicher COVID-19-Lagebericht vom 28.04.2022
https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Situationsberichte/Wochenbericht/Wochenbericht_2022-04-28.pdf?__blob=publicationFile

[6] RKI: Wöchentlicher COVID-19-Lagebericht vom 05.05.2022
https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Situationsberichte/Wochenbericht/Wochenbericht_2022-05-05.pdf?__blob=publicationFile

[7] Brief von Expressis Verbis an das Gesundheitsministerium vom 22.04.2022
https://www.expressis-verbis.lu/wp-content/uploads/2022/05/Lettre-pour-informations-santé.pdf

[8] ECDC Vaccine Tracker
https://vaccinetracker.ecdc.europa.eu/public/extensions/covid-19/vaccine-tracker.html#national-ref-tab

[9] Covid19.lu: Coronavirus – Neuigkeiten
https://covid19.public.lu/de.html

[10] Expressis Verbis: Parallelwelt der Zahlen
https://www.expressis-verbis.lu/2022/04/10/parallelwelt-der-zahlen/

[11] Ministère de la Santé: Coronavirus – Rétrospective de la semaine 18.05.2022
https://download.data.public.lu/resources/covid-19-rapports-hebdomadaires/20220523-180755/coronavirus-rapport-hebdo-20220518.pdf