Pandemie der Geimpften

Der zugegebenermaßen etwas provokative Titel dieses Artikels wurde nicht ohne Grund gewählt. Er bezieht sich selbstredend auf die „Pandemie der Ungeimpften“, welche in vielen Ländern Anfang September in Hinblick auf die kommende „vierte Welle“ im Herbst ausgerufen wurde. Auch Frau Lenert machte von diesem Begriff auf der Pressekonferenz vom 1. September Gebrauch:[1]

„De Motto vun der nächster Well […] et sinn di Net-Vaccinéiert déi zueleméisseg dat Ganzt wäerten dreiwen.“

Das kurze Zitat beschreibt dabei schon recht gut, um was es geht: Ungeimpfte würden sich demnach wesentlich öfter infizieren und das Virus entsprechend auch häufiger weitergeben. Ebenso wären es dann auch die Ungeimpften, welche vornehmlich das Gesundheitssystem belasten. Die Geimpften dagegen würden in diesen Zusammenhängen eine zumindest vernachlässigbare Rolle spielen. Es ist dabei schon fast müßig zu erwähnen, dass diese Argumentation gleichermaßen die conditio sine qua non der Legitimierung des CovidChecks sowie der Forderung nach einer höheren Impfquote darstellt.

Garantien, schwarz auf weiß, dass die Impfung dies auch bewerkstelligen könnte, sind interessanterweise rar gesät. Auf der offiziellen Internetseite der COVID-Impfung etwa[2] , werden in der Einführung eher allgemeine Aussagen der Art formuliert „Die Impfung ist der wirksamste Weg zur Vorbeugung von Infektionskrankheiten.“, im FAQ-Bereich lehnt man sich nicht sehr viel weiter aus dem Fenster:

„Wie bei anderen Impfstoffen auch, bietet der Impfstoff gegen COVID-19 auch nach der zweiten Impfung keinen 100%igen Schutz. Es ist trotzdem möglich, sich zu infizieren. Die Impfung hilft, die Symptome der Krankheit zu reduzieren.“

Auch ein Mitglied der Covid19-Task-Force gibt sich eher pessimistisch, was den Einfluss der Impfung auf das Infektionsgeschehen angeht.[3]

„Mir kënnen eng gewësse kollektiv Immunitéit an der Bevëlkerung hunn, mee ob mer wierklech d’Iwwerdroung iwwert d’Immunitéit allgemeng zum Beispill och iwwert d’Impfung kënnen ereechen, dat ass eng vun deene ganz wesentlechen a grousse Froen de Moment.“

Wir möchten in dieser Artikelserie einige Überlegungen vorstellen, die unseres Erachtens in Politik und Leitmedien in der Regel nicht genügend Erwähnung finden. Wohl wissend, dass es in diesem Zusammenhang eine Vielzahl berechtigter Diskussionspunkte gibt (Impfnebenwirkungen, alternative Behandlungsmethoden, …) soll hier die Effektivität der Covid19-Impfstoffe diskutiert werden: Dies betrifft zum einen ihren Einfluss auf das epidemiologische Geschehen, also inwiefern sie bei den Geimpften eine sogenannte sterile Immunität herstellen, und zum anderen in welchem Maß schwerere Krankheitsverläufe verhindert werden können.

Bevor wir auf die Vorbehalte einiger Wissenschaftler eingehen, beschäftigen wir uns in diesem ersten Teil mit den nackten Zahlen der nationalen Covid19-Statistiken.

Ein Impfstoff sollte eine hohe Effektivität besitzen, was übersetzt in die Logik der aktuellen Krise bedeutet: Nicht-Geimpfte sollten bei den PCR-Tests wesentlich öfter positiv getestet werden als Geimpfte, und natürlich auch die Krankenhäuser, insbesondere die Intensivstationen, sollten hauptsächlich von Covid19-Patienten belegt sein, welche nicht mit dieser Gen-Therapie behandelt worden sind. Durch die Größe Luxemburgs ist der Vergleich zwischen Geimpften/Nicht-Geimpften im Hinblick auf Hospitalisierungen und schwere Verläufe schwierig, da die aktuell (noch) sehr geringen Zahlen keine ausreichende statistische Signifikanz haben. Für unser Land beschränken wir uns daher im Folgenden auf die positiven PCR-Tests.

Das Ministerium für Gesundheit veröffentlicht seit einiger Zeit die Anzahl der positiv Getesteten sowie der Hospitalisierten in Abhängigkeit vom Impfstatus in ihren wöchentlichen Berichten [4]. Dies kann somit als Versuch gewertet werden, die Effektivität der Covid19-Impfstoffe zumindest grob zu evaluieren. Wir möchten im Folgenden einige Gedanken zur benutzten Methodik anführen.

Ein Kontrollexperiment (an dem wir alle teilnehmen)

Um die Wirksamkeit eines Medikamentes im Allgemeinen und eines Impfstoffs im Besonderen zu bestimmen, führt man bekanntermaßen ein sogenanntes Kontrollexperiment [5] durch: eine Experimentalgruppe, welche den Wirkstoff erhalten hat, wird mit einer Kontrollgruppe verglichen. Dabei sollte das Prinzip des „Ceteris paribus“ gelten, das heißt: für beide Gruppen sollte bis auf die Verabreichung des Impfstoffs das Experiment unter den gleichen Bedingungen durchgeführt werden. Das impliziert hier im Besonderen, dass alle Teilnehmer im zeitlichen Verlauf vergleichbar oft und unter den gleichen Umständen auf das Virus getestet werden.

Die genannten Auflagen, unter denen ein Kontrollexperiment durchgeführt werden sollte, werden unserer Meinung nach in 3 wesentlichen Punkten verletzt, welche wir im Einzelnen näher betrachten werden:

  1. Befreiung vom Contact Tracing für Geimpfte
  2. Einbeziehung der Schulkinder des Fondamental
  3. Zusammenlegung von nicht- und teilweise Geimpften

Befreiung vom Contact Tracing für Geimpfte

Wir berichteten bereits in diesem Zusammenhang über die Änderung des Covid-Gesetzes vom 12. Juni.[6] Da geimpfte Personen bei Kontakt mit einem positiv Getesteten im Rahmen des Contact Tracing von der Testpflicht befreit sind und entsprechend wesentlich seltener getestet werden,[7] wird somit schon in diesem Punkt das „Ceteris paribus“-Prinzip verletzt.

Einbeziehung der Schulkinder des Fondamental

Die Experimentalgruppe besteht aus allen Personen, die vollständig geimpft sind, also mindestens 12 Jahre alt sind. Entsprechend sollten also die Teilnehmer der Kontrollgruppe auch dieser Altersgruppe angehören. In den Berechnungen der Wochenberichte werden jedoch die Schulkinder des Fondamental miteinbezogen, welche einen nicht vernachlässigbaren Teil zu den positiv Getesteten beitragen. Immerhin werden hier rund 50.000 Personen zweimal wöchentlich mit Selbsttests auf SARS-CoV-2 überprüft. (Auf diesen Punkt wies uns ein aufmerksamer Beobachter hin, herzlichen Dank hierfür.)

Wie sich dieser Umstand auf die Endresultate auswirkt, kann für die Kalenderwochen 38 und 39 berechnet werden, für welche zum ersten und bis jetzt letzten Mal, die Anzahl positiver PCR-Tests nach nicht-, teilweise und vollständig Geimpften aufgeschlüsselt worden war. Das folgende Bild zeigt den entsprechenden Screenshot des Wochenberichtes der Woche vom 27. September bis 3. Oktober.

In der folgenden Tabelle sind die entsprechenden Daten der Kalenderwochen 37 bis 41 zusammengefasst. Um den Anteil der Schulkinder des Fondamental an den positiv Getesteten abzuschätzen, haben wir zusätzlich auch die Anzahl positiver Tests in den Altersgruppen 0-9 und 10-19 Jahre aufgelistet.

Kalenderwoche373839404142
(1)nicht geimpft374186174364522487
(2)teilweise geimpft194200
(3)vollständig geimpft168210217311264494
(4)gesamt542590591675786981
(5)0-9 Jahre11113114676132141
(6)10-19 Jahre7865104137149165
(7)0-11 Jahre (geschätzt)127144167103164174
(8)nicht geimpft >12 Jahre (geschätzt)427

Die Anzahl positiver PCR-Tests für Personen bis 11 Jahre (7) wurde einfach durch Hinzuaddieren von einem Fünftel der Anzahl der Altersgruppe 10–19 Jahre (6) zur Kategorie 0–9 Jahre (5) geschätzt.

Da alle positiv Getesteten bis 11 Jahre nicht geimpft sind, erhält man die geschätzte Anzahl der positiven Nicht-Geimpften älter als 12 Jahre (8), durch Subtraktion der Altersgruppe 0–11 Jahre (7) von der Gesamtzahl der Nicht-Geimpften (1).

Für die Kalenderwoche 38 stehen somit bei den positiv Getesteten über 12 Jahre, 42 Nicht-Geimpfte 210 Geimpften gegenüber, für KW 39 ist das Verhältnis sogar 7 zu 217!

Rechnen wir diese Zahlen auf die Inzidenzraten um.

Bei einer Gesamtbevölkerung von 634.730 und 81.242 Personen in der Altersgruppe 0–11 Jahre, entfallen auf die Gruppe ab 12 Jahren 634.730 – 81.242 = 553.488 Personen.

In der KW 38 waren laut Tagesbericht des 27. September [8] 403.462 Personen vollständig geimpft. In der Kontrollgruppe sind es entsprechend 553.488 – 403.462 = 150.026. Die Inzidenzraten auf 100.000 Einwohner betragen somit:

Inzidenzrate Geimpfte: I_v = 210 \cdot \frac{100.000}{403.462} \approx 52

Inzidenzrate Nicht-Geimpfte: I_u = 42 \cdot \frac{100.000}{150.026} \approx 28

Die Inzidenzrate der Geimpften ist somit fast doppelt so hoch wie die der Ungeimpften!

Berücksichtigt man zusätzlich, dass die Geimpften im Contact Tracing im Gegensatz zu den Nicht-Geimpften kaum getestet werden, ist die tatsächliche Inzidenzrate bei den Geimpften sicher noch höher.

Für Kalenderwoche 39 führt eine analoge Rechnung basierend auf dem Tagesbericht vom 4. Oktober zu:

Inzidenzrate Geimpfte: I_v = 217 \cdot \frac{100.000}{406.521} \approx 53

Inzidenzrate Nicht-Geimpfte: I_u = 7 \cdot \frac{100.000}{146.967} \approx 5

Geimpfte wurden also mehr als 10-mal so oft positiv getestet als Nicht-Geimpfte.

Seit der Kalenderwoche 40 wurden die nicht und teilweise Geimpften leider wieder in einer Kategorie zusammengelegt. Die Größenordnung der Zahlen lässt allerdings ähnliche Werte für die jeweiligen Inzidenzraten von Geimpften und Nicht-Geimpften erwarten.

Zusammenlegung von nicht- und teilweise Geimpften

Mit Ausnahme der Kalenderwochen 38 und 39, wurden nicht- und teilweise Geimpfte konsequent in einer einzigen statistischen Kategorie zusammengefasst, eine Praxis, die interessanterweise nicht auf Luxemburg beschränkt zu sein scheint [9].

Abgesehen davon, dass dies der Logik eines Kontrollexperimentes widerspricht (die beiden relevanten Gruppen sind die Experimental- und die Kontrollgruppe), kann dies die Auswertung zugunsten des Impfstoffs verzerren, da im Falle von negativen Auswirkungen der Impfung zwischen der ersten und der zweiten Dosis diese den Nicht-Geimpften zugerechnet werden.

Dass dies tatsächlich eine Rolle spielt, wird sich an konkreten Beispielen weiter unten noch zeigen und wurde überdies bereits in einer Arbeit von Dr. Hervé Seligmann bestätigt: durch Auswertung der Rohdaten einer umfangreichen israelischen Studie mit 500.000 Teilnehmern konnte gezeigt werden, dass unmittelbar nach der ersten Dosis eine erhöhte Anzahl von Fällen auftraten [10].

Für die Kalenderwochen 38 und 39 können die Inzidenzraten für die teilweise Geimpften berechnet werden. Wir benötigen die Anzahl der Personen, welche einmal mit den 3 Impfstoffen, für die 2 Dosen nötig sind (BioNTech/Pfizer, Moderna und AstraZeneca), geimpft worden sind. Diese Zahl kann aus den Daten der entsprechenden Tabelle der Tagesberichte [8] hergeleitet werden.

Für die Kalenderwoche KW 38 (Stand 27.09.2021) erhalten wir somit:

Mit einer Dosis geimpft: 417.905
– davon mit Janssen vollständig geimpft: 37.532
– davon mit den anderen 3 Impfstoffen geimpft: 417.905 – 37.532 = 380.373

Mit 2 Dosen vollständig geimpft (andere 3 Impfstoffe): 365.930

Teilweise geimpft (andere 3 Impfstoffe): 380.373 – 365.930 = 14.443

Inzidenzrate teilweise Geimpfte: I_p = 194 \cdot \frac{100.000}{14.443} \approx 1.343

In absoluten Zahlen ausgedrückt ergibt das eine vergleichbare Anzahl positiv Getesteter (186 zu 194) bei einer Gruppe von Ungeimpften welche ca. 10-mal größer ist (152.339 zu 14443)!

Ein Wort zu den Krankenhausaufenthalten

Wie wir bereits darauf hingewiesen haben, sind zumeist einstellige Zahlen im Zusammenhang mit Covid19-Krankenhausaufenthalte nicht geeignet um signifikante statistische Aussagen zu formulieren. Ein Textabschnitt in einem bereits zitierten Artikel [7] sollte zudem hellhörig machen:

D’Informatiounen iwwert d’Patienten am Spidol wieren awer net sou einfach z’erfaassen, seet sengersäits de Jean-Claude Schmit.

„Déi Leit, déi hospitaliséiert sinn, dat variéiert vun Dag zu Dag, et ginn der, déi frësch hospitaliséiert ginn, anerer ginn heem, dat heescht, dat ass eng supplementär Aarbecht fir eis. Mir hunn dat elo a verschiddene Situatiounen extra nogesicht, fir e bëssen en Androck ze hunn, mä wa mer dat routineméisseg wëlle maachen, ass dat relativ vill Aarbecht, fir all Fall nozesichen.“

Diese Aussage wirft unserer Meinung nach mehr Fragen auf als sie beantwortet. Offensichtlich wird der Impfstatus eines Krankenhaus-Patienten nicht automatisch zwischen den einzelnen beteiligten Instanzen ausgetauscht und scheint somit nur in Einzelfällen festgestellt zu werden, wenn die Umstände dies mit nicht allzu viel Aufwand erlauben. Zweifel, wie auf dieser Datengrundlage verlässliche Statistiken zustande kommen sollen, sind somit berechtigt.

Weil nicht sein kann was nicht sein darf

Die Milchmädchenrechnung, [6] bei der einfach die prozentualen Anteile von vollständig- und nicht-/teilweise Geimpften an der Gesamtzahl positiver Tests berechnet wurden, wurde für die Kalenderwoche 40 zum letzten Mal benutzt.

Der Grund dieses Paradigmenwechsels ist wohl durch den Umstand zu erklären, dass selbst bei den oben beschriebenen methodischen Fehlern zugunsten der vollständig Geimpften, die auf diese Weise berechneten Werte kaum noch einen Einsatz der Impfung für die Verhinderung von Infektionen rechtfertigen.

Das Worst-Case-Szenario für die Impfkampagne wäre sicherlich, wenn die von nun an (KW 41) publizierten Werte der Inzidenzraten, trotz massiver „Unregelmäßigkeiten“ zugunsten der Impfung, irgendwann einmal für die vollständig Geimpften höher ausfallen würden als für die nicht und teilweise Geimpften.

Wir sind uns allerdings sicher, dass auch dann wieder eine neue statistische „Betrachtungsweise“ die Impfung zum alternativlosen Heilsbringer küren wird.

Ein Schlusswort zu finden ist schwierig. Man verstummt angesichts der schieren Dreistigkeit, mit der das passend gemacht wird, was es offensichtlich nicht ist.

Ist dies ein Beispiel einer Wissenschaft(-lichkeit), der man vertrauen muss – sollte?

Quellen:

[1] RTL (01.09.2021): Vum 15. September u keng gratis PCR-Tester méi
https://www.rtl.lu/news/national/a/1779765.html

[2] Die Luxemburger Regierung – Coronavirus – Impfung
https://covid19.public.lu/de/impfung.html

[3] RTL (01.09.2021): Nei Corona-Well am Hierscht/Wanter ass warscheinlech
https://www.rtl.lu/radio/invite-vun-der-redaktioun/a/1779111.html

[4] COVID-19: Rapports hebdomadaires
https://data.public.lu/fr/datasets/covid-19-rapports-hebdomadaires/

[5] Khan Academy: Controlled experiments
https://www.khanacademy.org/science/biology/intro-to-biology/science-of-biology/a/experiments-and-observations

[6] Expressis Verbis: Die Abrechnung
https://www.expressis-verbis.lu/2021/09/07/die-abrechnung/

[7] RTL (07.09.2021): Geimpfte Leit maache manner Aarbecht
https://www.rtl.lu/news/national/a/1782916.html

[8] COVID-19: Rapports journaliers
https://download.data.public.lu/resources/covid-19-rapports-journaliers/

[9] Pandemien der Impfdurchbrüche und der Intensivstationen – wie sich das RKI und die Krankenhäuser die Corona-Welt zurechtbasteln
https://tkp.at/2021/10/28/pandemien-der-impfdurchbrueche-und-der-intensivstationen-wie-sich-das-rki-und-die-krankenhaeuser-die-corona-welt-zurechtbasteln/

[10] Hervé Seligmann: COVID19 more severe among Pfizer-vaccinated than other Israelis, for 1st, 2nd and 3d injections
https://www.expressis-verbis.lu/wp-content/uploads/2021/10/More-severe-COVID19-cases-among-vaccinated-than-unvaccinated-Israeli20VIII2021Baum.pdf