Die Macht der Sprache

WAR IS PEACE – FREEDOM IS SLAVERY – IGNORANCE IS STRENGTH

Ministry of Love: responsible for brainwashing the citizens of Oceania.

Ministry of Truth: the ministry responsible for changing history to suit the Party.

Thought Police: the group responsible for arresting those charged with thoughtcrime.

1984, George Orwell

Vor einigen Tagen wurde ich aus heiterem Himmel mit dem Satz „Die Impfung ist gut. Wären nicht so viele Menschen geimpft worden, wären viele Menschen gestorben“ konfrontiert. Ich fragte, etwas verblüfft nach: Wie kommst Du denn auf so eine Aussage, auf welchen Argumenten, auf welchen Fakten basiert sie?

Auslöser für seine Behauptung schien ein, auf einer im Lancet veröffentlichen Studie basierender, rezenter Artikel im „The Economist“ zu sein.

Während mein Kollege, der Mathematiker Pierre Obertin, sich im Detail auf diese Lancet-Studie gestürzt und seine Analyse in einem Artikel verarbeitet hat, drängte sich bei mir eine andere Frage auf: Warum fühlte sich die im Raum stehende Behauptung eigentlich schon so falsch an, noch bevor ich mich eingehender mit dem Inhalt des Artikels beschäftigte? 

Eine Antwort fand ich in der Logik. Wir haben es hier entweder mit einem sogenannten Zirkelschluss oder mit einer logischen Tautologie zu tun. Eine Tautologie bezeichnet eine Aussage, die aus logischen Gründen immer wahr ist („Der Schnee ist weiß“). Ein Zirkelschluss ist ein logischer Fehlschluss, bei dem die zu beweisende Position bereits in den Prämissen vorausgesetzt wird. 

Die Prämisse, die es in der Behauptung, um die es geht, lautet: Es ist die Impfung, die Leben gerettet hat und nichts anderes. Sie profitiert in diesem Fall also von der Tatsache, dass man die Zeit nicht zurückdrehen und exakt dasselbe Szenario mit anderen Kausalitätsannahmen, wie:

  • einer gesunden Lebensführung (Ernährung, Bewegung, Sauerstoffaufnahme, soziale Kontakte, gezielte Supplementierung), 
  • einer harmlosen Virus-Variante, 
  • einer zeitnahen, effizienten Medikation, 
  • einem, auf gesundem Menschenverstand basierender, Umgang mit einer Infektionswelle,
  • oder einer Kombination mehrerer dieser potenziellen Kausalitäten

durchspielen kann.

Dann hätte man auch auf einen möglichen Fehlschluss der kausalen Reduktion in einer hochkomplexen Situation hingewiesen. Man könnte so zum Beispiel behaupten: „Ich habe jeden Tag gebetet und wurde nicht krank. Also hilft beten gegen Krankheit.“ Hier bestätigt man also zirkulär die vorgängige Kausalitätshypothese durch ihre einfach Wiederholung im Schluss. Denn sowohl beide Aussagen – ich habe gebetet und ich blieb gesund – für sich wahr sein können, ist damit noch nicht das geringste über ihren Zusammenhang, oder eine etwaige Kausalität gesagt, oder gar bewiesen. Ich fahre zwar ein weißes Auto, und habe mich bisher nicht mit Covid angesteckt, heißt nicht, dass mein weißes Auto mich davor beschützt hätte.  

Man könnte also solche Zirkelschlüsse beliebig mit anderen Hypothesen ersetzen (ich habe jeden Tag Alkohol getrunken, ich rauche regelmäßig usw.), um die Sinnlosigkeit solcher Scheinbeweise zu erkennen.

Interessant wird es dann, wenn ein renommiertes Blatt wie The Economist bereits in der Titelauswahl auf einen solchen Zirkelschluss hinweist: „How many lives have been saved by covid-19 vaccines?“ 

Der Autor des Artikels benutzt die Wörter „wie viele“ anstelle von „ob“. Allein diese Überschrift suggeriert dem Leser bereits implizit, dass die Covid-Vakzine Leben retten. Wer sich an einer solchen Überschrift nicht schon zu Beginn stößt, und diese also als korrekte Prämisse hinnimmt, wird möglicherweise den ganzen Beitrag unbemerkt dieser impliziten Grundannahme weiterlesen. Und wird somit möglicherweise zu anderen Schlussfolgerungen kommen, als jemand, der bereits bei der Titelauswahl ein gewisses „Kribbeln im Kopf[1]“ verspürt.

Denn: für den, der tatsächlich jeden Tag gebetet hat und nicht krank wurde, bleibt das Beieinander der beiden Behauptungen ja tatsächlich wahr. Und sie ist – im Gegensatz zur Behauptung, dass die Impfung so viele Leben gerettet haben soll – zudem nur mit ziemlich viel Aufwand zu widerlegen. Dieser Umstand erschwert natürlich jeglichen Dialog, respektive Diskussionen erheblich und trägt möglicherweise eine große Mitschuld an der Kluft, die wir momentan in der Gesellschaft erleben. 


Bewusste Manipulation?

Ist der Autor des Artikels im The Economist lediglich ein „Opfer“ seiner eigenen Glaubenssätze oder handelt es sich um eine bewusste Manipulation?

Wenn man bedenkt, wie häufig in den letzten zwei Jahren in den Medien und der Politik auf Tautologien/Zirkelschlüsse zurückgegriffen wurde, kann man Letzteres nicht unbedingt ausschließen. Es kann sich natürlich auch um einen simplen kausalen Fehlschluss halten, dem wir im Eifer des Gefechts alle gelegentlich mal unterliegen können (was uns ja nicht direkt zu einem schlechten Menschen macht), und nicht um eine bewusste Manipulation. Da ich den Autor nicht kenne, kann ich ihn zu seinen Gründen nicht befragen. Auch weiß ich, wie schwer es manchmal ist, eine gute Überschrift zu finden, denn man hofft ja, dass der entsprechende Artikel auch gelesen wird.


Hier einige aktuelle Beispiele der Tautologien / Zirkelschlüsse / Kausalfehler aus der aktuellen medialen Welt:

  1. Maskentragen / Impfen / Isolation sind ein Akt der Solidarität. Wer nicht mitmacht, ist unsolidarisch.
  2. Politisch rechts ist immer schlecht. Wenn sie also gegen die Impfpflicht sind, müssen wir alle dafür sein, sonst sind wir auch rechts/schlecht.
  3. Masken / Isolation / „Impfung“ haben geholfen. Hätten wir das nicht gemacht, hätten wir viel mehr Opfer zu beklagen.
  4. Es gibt keine Männer und Frauen mehr. Jeder kann alles sein, was er fühlt. Wer seine Texte nicht „gendert“ (also die Sprache ändert!) ist intolerant und gegen die Inklusion dieser Menschen.
  5. Alle Russen sind böse. Also sind alle Ukrainer gut.

„Neusprech“ im (Post-)Covid-Zeitalter

In Leudelange hat jemand sein „Déjà-vu“ sogar auf dem Straßenschild dokumentiert.

Mit solchen Fragen im Kopf habe diesen Artikel mit Zitaten aus dem Klassiker 1984 von George Orwell begonnen. Orwell schreibt dort:

„Power is in tearing human minds to pieces and putting them together again in new shapes of your own choosing.“

George Orwell, 1984, Teil 3, 3. Kapitel

Wenn man sich die fünf vorangegangenen Beispiele etwas genauer ansieht und sie mit der Sprache unserer Covid-Zeit vergleicht, dann könnte man diese als eine moderne Variante von Orwells berühmten Neusprech erkennen:

„Altsprech“„Neusprech“
SOLIDARITÄT:
Ein Grundprinzip des menschlichen Miteinanders durch gegenseitige Hilfe und Eintreten füreinander. Persönliches Beispiel: ich habe meine an Covid-19 erkrankten Freunde und Familienmitglieder bekocht, beliefert, besucht, täglich angerufen und für sie die Einkäufe getätigt (und erkrankte übrigens nicht!). Ich achte auf meine Gesundheit (Geist und Körper) durch natürliche Lebensführung, damit kranke/schwache Mitglieder meiner Gemeinschaft von meiner Kraft und Energie profitieren können. Ich darf mir das in meinem direkten Umfeld auch zurückerwarten, sollte mir mal etwas passieren.
Wenn ich ein „Opfer“ bringe, dann musst Du das auch tun. Wenn ich also meine körperliche und seelische Gesundheit durch unnatürliche /körperfremde oder artenfeindliche Aktionen beeinflusse (Maskentragen, „Impfen“, Isolation …) dann musst Du das auch tun, denn sonst bist Du böse.
POLITISCHE ORIENTIERUNG
Wenn ein Mensch, dessen politische Orientierung ich nicht teile, weil die extreme Form davon zu abscheulichen Kriegen und Verbrechen geführt hat und immer noch führt, behauptet, 2 + 2 ergäbe 4, dann muss ich ihm in dem Punkt trotzdem recht geben.
Diese Menschen haben eine politische Orientierung, die man nicht tolerieren kann. Alles, was sie sagen, ist demnach falsch/schlecht/böse. Wer eine Aussage solcher Leute bestätigt, teilt also auch deren politische Meinung und ist somit automatisch auch schlecht.
Die „Schutzmaßnahmen im Namen der Gesundheit“

Masken bieten kaum Schutz, aber viele Risiken: sie reduzieren die Sauerstoffaufnahme, sorgen für Hautprobleme und bergen potenziell dramatische Konsequenzen für die physische und seelische Gesundheit.

Klassische Impfungen und Medikamente erfordern jahrelange Testphasen nach präzisen Kriterien und Vorgehensweisen.

Isolation ist für soziale Wesen eine Folter, die deren Psyche unwiederbringlich zerstören kann.

Es gibt Experten, die sagen so und andere sagen so. Ich höre mir alles an, wäge mein persönliches Risikoprofil ab und entscheide eigenverantwortlich für mich selbst, welche Risiken ich eingehen möchte und welche nicht. Ich selbst trage den Großteil der Verantwortung für meinen Gesundheitszustand.
Masken, Impfen, Isolation sind gut, weil die Politik, die Masken- und PCR-Test Produzenten, so wie internationale Internetkonsumanbieter und Logistiker das mithilfe der beratenden Experten sagen.
Experten, die etwas anderes behaupten, werden verunglimpft und eliminiert. Das sind sowieso Schwurbler. Ich gehorche, weil ich ein guter Bürger bin und mich geborgen, solidarisch und moralisch überlegen fühlen will.
Die Pharmaindustrie und die Politik agieren primär in meinem Interesse. Gemeinsam können sie Mutter Natur überlisten und Krankheit/Tod abschaffen. Die Pharmaindustrie kümmert sich um die Symptome meines ungesunden Lebensstils. Wenn ich also krank werde, sind andere schuld. Deshalb stelle ich mich für ihre Tests zur Verfügung. Das verdiente Geld setzen sie zusammen mit den GAFAs und der WHO (die sowieso viel besser wissen als ich, ob ich krank bin) für einen guten Zweck (verstärkte Kontrollmechanismen zu unserem eigenen Schutz) ein.
KRIEG:

Putin ist kein Sympathieträger, genauso wie viele andere psychopathische Präsidenten oder Diktatoren auch. Dennoch wurde jahrelang mit ihm getanzt, Kontakt gepflegt und es wurden Geschäfte getätigt.

Putin war Mitglied der Global Young Leaders von Klaus Schwab’s WEF.

Historiker bestätigen, dass in dem jahrelangen Zwist zwischen der westlichen und östlichen Welt beide Seiten einen Teil mitzuverantworten haben.

Die Ukraine ist eines der korruptesten Länder weltweit.

Ich habe eine russische Freundin und die ist ausgesprochen nett und sympathisch.
Putin ist schlecht, also sind alle Russen schlecht. Also sind alle Ukrainer immer gut. Wer das relativiert und auf die Mitschuld des Westens hinweist, ist ein Holocaustleugner, Putinversteher, Rechtsradikaler und Antisemit.

Diese Wörter sind offiziell anerkannte Schimpfwörter, um „Falschdenker“ auch wenn es sich um promovierte Historiker handelt, öffentlich zu beleidigen und bloßzustellen, damit man sie sofort erkennt und keine Diskussionen mit ihnen haben muss.

Die Ukraine gehört zu uns und soll EU-Mitgliedskandidat sein, weil die Russen böse sind.

Es ist vollkommen normal, dass Deine russische Freundin gemobbt, geächtet und beleidigt wird, denn Russen sind wirklich alle böse.

Die Liste der aktuellen Neusprech-Bespiele ist sehr lang und – was mich angeht – äußerst beunruhigend. Sie trägt dazu bei, dass sich die Anzahl der Menschen, mit denen man sich über Belanglosigkeiten hinaus überhaupt noch unterhalten kann, kontinuierlich reduziert. 


„Nothing was your own except the few cubic centimetres inside your skull. „

George Orwell, 1984, p 28

Was bleibt, sind „einige Kubikzentimeter im Inneren Ihres Schädels“ und hoffentlich einige gute Freunde, die ihre Denkfähigkeit nicht zu Gunsten eines nichthinterfragten Glaubens an die Medien, die Politik und die Industrie opfern. Weil Sie wahrscheinlich nicht so genau wissen, ob Sie im Schlaf reden, ist ein gleichgesinnter Partner ebenfalls von Vorteil, nicht dass die wenigen Kubikzentimeter Sie noch verraten und die „Denkpolizei“ auf einmal auf der Türschwelle steht.

Dieser Text erhebt keinerlei Anspruch darauf, Lösungen zu präsentieren. Er möchte den Leser lediglich für diese manipulative Abänderung der Sprache sensibilisieren. Das mag ja bei dem einen oder anderen als Denkanstoß für alles Weitere bereits ausreichen, um – wenigstens in seinem direkten Umfeld – durch Taten zu überzeugen, die dem entsprechen, was wir in „Altsprech“ unter Solidarität, Diskurs, Respekt, Offenheit und Toleranz verstanden. Vergessen Sie nicht Ihre mutmaßlichen „Kontrahenten“ einzubeziehen, die Einflussnahme ist so enorm, dass sie es vielleicht nicht merken.

Ich beende diesen Artikel mit einem Quiz. Der Erste, der alle fünf Fragen richtig beantwortet, erhält einen Gutschein von 150 EUR in einem Buchladen. Als zweiten Preis schicken wir Ihnen das Buch 1984 von George Orwell in der Sprache Ihrer Wahl.

  1. Was ist die genaue Definition von „Interessenkonflikt“?
  2. Wer hat die Studie im Lancet finanziert?
  3. Wer ist der Nutznießer dieser, hier verlinkten, Preprint-Studie?
  4. Welche Aktionäre stecken hinter der Zeitung „The Economist“ und welche Verstrickungen erkennen Sie zu den multinationalen Konzernen?
  5. Wie viele Presseagenturen gibt es weltweit und wer steuert sie?

Nathalie Meier

Hier geht es zum Quiz:

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  1. „Kribbeln im Kopf“ ist ein Begriff, den ich stets benutze, wenn ich mit einer berauschenden Idee, oder aber einer höchst unlogischen Aussage konfrontiert werde. Die Alarmsignale für diesen Impuls im Gehirn sind so intensiv, dass ich sie förmlich physisch „spüre“. Ich entdeckte irgendwann einmal das Buch „Kribbeln im Kopf“ und habe es mir auch gekauft, fand dort aber keinen Zusammenhang mit meiner Empfindung. ↩︎