Anmerkungen zu den ‚Fakten‘ der Politik
„Ich habe immer verstanden, dass der PCR-Test wirklich der Goldstandard ist und dass wir heute nichts Besseres haben, das zuverlässiger wäre.“
(Paulette Lenert. RTL Kloertext vom 11.03.2021 1)
Seit 15 Monaten behaupten die politischen und medialen Diskurse, Gesundheitsgesetze und -maßnahmen aufgrund von Infektionszahlen, Auslastung von Intensivbetten und der Zahl der Todesfälle zu stützen. Diese Gesetze und Maßnahmen wären deshalb als evidenzbasierte politische Strategien zu verstehen. Die Devise solcher evidenzbasierten Politik sollte darüberhinaus dann auch „follow the science“ lauten.
Der Begriff der evidenzbasierten Politik entstand aus dem Konzept der evidenzbasierten Medizin der frühen 1990er Jahren. Der Gedanke scheint in der Medizin so naheliegend wie in der Politik; aber gleichzeitig birgt er ernsthafte Schwierigkeiten. Was sind diese „Fakten“, die die Grundlage für Entscheidungen bilden würden? Welche empirischen Erkenntnisse liegen vor? Wie beschafft man solche Erkenntnisse, wie interpretiert man sie, wie nutzt man sie, wie wählt man sie aus, aus der Überfülle und manchmal äusserst kurzen Lebensdauer der Ergebnisse wissenschaftlicher oder empirischer Studien? (Siehe Laurent et al., 2009).
Eine aktuelle bibliographische Studie (Juni 2021) zeigt den beeindruckenden Umfang der wissenschaftlichen Forschung zu Covid-19. Tatsächlich stellt nämlich die Erforschung des neuen Virus die größte Explosion an wissenschaftlicher Literatur dar, die es in der Geschichte der wissenschaftlichen Veröffentlichungen je gegeben hat (Fassin, 2021). Im Jahr 2020 wurden so etwa 70.000 Artikel über Covid-19 in wissenschaftlichen Zeitschriften veröffentlicht, was zu etwa 500.000 Zitaten führte (im Vergleich zu 100.000 Zitaten von Krebs-Artikeln, dem mit Abstand aktivsten Forschungsthema der Medizin). Allein im Jahr 2020 werden also durchschnittlich 5.833 Artikel pro Monat veröffentlicht worden, was etwa 1.400 Artikel pro Woche entspricht.
Eine solche Menge an Veröffentlichungen zu lesen, zu verstehen und zu nutzen, ist selbst für die besten Fachleute schwer zu bewältigen, schon alleine aus Zeitmangel (man müsste 208 Artikel pro Tag lesen, verstehen und bewerten!). Darüber hinaus bewirkt eine solche Anzahl von Studien auch eine erhebliche Einschränkung der Lese- und Bewertungsprozesse wissenschaftlicher Zeitschriften (Fassin, a.a.O.). Dieser Faktor ist nicht ohne Bedeutung für die Qualität der Forschung, die mit sehr hoher Geschwindigkeit durchgeführt und veröffentlicht wird. Gehen wir davon aus, dass die Auswahl der relevanten Fakten den Politikern bei einer solch erdrückenden Menge an Studien nicht einfacher fällt als den Wissenschaftlern.
Aus der schieren Anzahl der wissenschaftlichen Veröffentlichungen sollte ersichtlich sein, dass die „Fakten“, mit denen sich Politiker und ihre Experten brüsten, gelinde gesagt fast notwendigerweise parteiisch, voreingenommen und selektiv sein müssen. Was bedeutet es aber der Wissenschaft zu folgen, wenn diese Wissenschaft mit mehr Informationen versorgt, und noch dazu mit mehr widersprüchlichen Informationen, als ein Leser in einem Leben verarbeiten könnte?
Wie wir seit Beginn der Pandemie zur Genüge gesehen haben, werden wissenschaftliche Fakten leicht dazu benutzt, Debatten zu entpolitisieren und Maßnahmen ohne weitere soziale, wirtschaftliche oder psychologische Überlegungen durchzusetzen. Infolgedessen wurde das Motto „follow the science“ zunehmend genutzt, um alle demokratischen Institutionen und Verfahren zu umgehen und Krisen- und Ausnahmeregime zu etablieren.
In den letzten Monaten haben wir dann aber auch eine allmähliche Erosion der trivialeren statistischen „Fakten“ gesehen, die die sanitäre Politik und ihre Expertokratie rechtfertigen sollen.
Die Anzahl der Covid-Sterbefälle hat kurzfristig die medizinische Kausalität (Tod durch) durch einfache statistischen Korrelation (Tod durch oder mit) ersetzt. Auch wissen wir inzwischen aus unseren Nachbarländern, dass die Zahlen der Intensivbetten nicht immer so genau und ehrlich waren, wie man es sich gewünscht hätte. (Für die kleinen statistischen Arrangements in Luxemburg, s. Leo Gali: Weitergehen, es gibt hier nichts zu sehen!, Inzidenz für alle, Die Mathematik der Angst, Invasion der Mutanten). Die letzte Bastion, das stärkste Argument der Rechtfertigung der Lockdowns, Ausgangssperren und der sozialen Distanzierungsmaßnahmen, der PCR-Test, erweist laut einer rezenten Praxisstudie auch wiederum als kompromittiert.
In einer aktuellen Analyse der Leistungsfähigkeit des SARS-CoV-2-RT-PCR-Tests als Werkzeug zum Nachweis einer SARS-CoV-2-Infektion veröffentlichen Forscher der Medizinischen Fakultät der Universität Essen-Duisburg (Stang et al., 2021) Forschungsergebnisse, deren Bedeutung kaum überschätzt werden dürfte.
Basierend auf einer Analyse von Daten aus der „realen Welt“ und nicht auf mathematischen Spekulationen, gibt diese Studie nicht nur eine konkretere Vorstellung vom Grad der Ungenauigkeit einiger wissenschaftlicher Studien, sondern stellt auch eine der wichtigsten Grundlagen aller Politiken und politischen Strategien zum Umgang mit der Covid-19-Pandemie in Frage.
Erinnern wir daran, dass luxemburgs wissenschaftliche „Task Force“ sich auf eine 160 Millionen Euro Teststrategie stützte2, deren Ergebnisse angeblich auf einer analytischen Sensitivität und Spezifität der RT-PCR-Tests von 100 % beruhen (Wilmes et al. 2021). Diese perfekte Genauigkeit, die der luxemburgische Hersteller der Test-Kits angibt wurde, so behaupten es die Wissenschaftler, durch wissenschaftliche Analyse bestätigt. Aus diesem Grund fühlten sich unsere Forscher berechtigt, die Frage nach „falsch-positiven oder falsch-negativen (…) bei der Analyse der Daten“ kurzerhand außer Acht zu lassen. In der Tat: warum sollte man sich an möglichen Erkennungsfehlern interessieren, wenn die Messungen zu 100% adäquaten Daten führen?
Auch die Experten des Fonds National de la Recherche (Ministerium für Hochschulwesen und Forschung) wussten bereits 7 Monate vor der Veröffentlichung der staatlichen Studie, dass im Gegensatz zu anderen Ländern „viele Informationen über falsch positive Ergebnisse“ kursieren, die aber „sicherlich nicht auf Luxemburg zutreffen“. Denn die Wirtschafts- und Finanzpolitik ist in Luxemburg nicht nur weisser, Luxemburgs Wissenschaftler messen auch genauer:
Die in Luxemburg verwendeten PCR-Tests sind sehr zuverlässig. Es hat sich gezeigt, dass Informationen über Falsch-Positiv-Raten von 1% oder mehr nicht auf die Situation in Luxemburg zutreffen. Es gibt derzeit keine verlässlichen Hinweise auf signifikante falsch-positive Ergebnisse, aber es kann natürlich nicht ausgeschlossen werden, dass falsch-positive Ergebnisse auftreten. In Anbetracht der Daten ist die Wahrscheinlichkeit jedoch sehr gering.
Auf eine subtile Art und Weise ist es den Forschern des Gesundheitsministeriums auch dadurch gelungen, die Illusion perfekter Genauigkeit zu erwecken, indem sie die Bedeutung von Probenahmetechniken (die prä-analytischen Schwachstellen), den Faktor der Interpretation von Laborergebnissen (post-analytische Schwachstellen) kurzerhand nicht erwähnt haben. So fiel die absolute Genauigkeit der luxemburgischen Wissenschaft nicht einmal den „Peer-Reviewern“ des The Lancet Regional Health – Europe auf.
In Luxemburg war es deshalb nicht nötig, die Zweifel anderer Länder und Wissenschaftler zu teilen. Auch brauchte hier die externe Bewertung des RT-PCR-Tests zum Nachweis von SARS-CoV-2 (Borger et al., 2020), die im November 2020 veröffentlicht wurde und „zahlreiche technische und wissenschaftliche Fehler, insbesondere ein unzureichendes Design der Primer, ein problematisches und unzureichendes RT-qPCR-Protokoll und das Fehlen einer präzisen Validierung des Tests“ (a.a.O., S. 1) feststellte, nicht herangezogen werden. So identifizierten Borger et al. in ihrer Studie nicht weniger als zehn „fundamentale Probleme“ mit dem von Corman-Drosten vorgeschlagenen RT-PCR-Verfahren; ein Verfahren, von dessen Gültigkeit die Teststrategien und Maßnahmen des Lockdown, der Ausgangssperren und der sozialen Distanzierung abhängen.
Das Hauptproblem des von Borger et al. identifizierten RT-PCR-Tests besteht darin, dass die Studienautoren “weder über infektiöses (‚lebendiges’) oder inaktiviertes SARS-CoV-2-Kontrollmaterial, noch über isolierte genetische RNA des Virus verfügten. In Ermangelung von viralen Material wurden so die Tests auf der Grundlage einer „theoretischen“ genetischen Sequenz entworfen.
Daher kann das Verfahren keine Angaben über die kritische Viruslast, d. h. die für eine effektive Infektion erforderliche Virusdosis, liefern. Das heisst aber dann auch, dass selbst wenn diese Tests die fabelhafte Genauigkeit des Luxemburger Test-Kits erreichen würden, wären sie also immer noch nicht in der Lage, zwischen dem bloßen Vorhandensein von Virus-DNA und einer tatsächlichen Infektion zu unterscheiden.
Von den 10 größeren und kleineren Fehlern, die Borger et al. in der Veröffentlichung von Corman-Drosten fanden, schließen die Autoren:
Der im Corman-Drosten-Artikel beschriebene RT-PCR-Test enthält so viele molekularbiologische Designfehler (siehe 1-5), dass es unmöglich ist, eindeutige Ergebnisse zu erhalten. Es ist unvermeidlich, dass dieser Test eine enorme Anzahl von „falsch-positiven“ Ergebnissen erzeugt. (Borger et al., 2020, S. 19)
Diese Probleme machen, so die Formulierung der Autoren, den SARS-CoV-2-RT-PCR-Test als Diagnoseinstrument und damit als Grundlage für politische Entscheidungen, die „das Leben und die Lebensgrundlage vieler Menschen zerstört haben, den Zugang zu Bildung einschränken“, mit „Einschränkungen, die von Regierungen auf der ganzen Welt auferlegt wurden, (die) einen direkten Angriff auf die Grundrechte und persönlichen Freiheiten der Menschen darstellen und zu Kollateralschäden für ganze Volkswirtschaften weltweit führen“ durchaus unbrauchbar. (Borger et al., S. 2)
Es scheint überflüssig zu erwähnen, dass die Kritik von Borger et al. ihrerseits scharf kritisiert wurde (Borger et al., 2021). Auch hier dürfte sich der Dilettant genauso wie der Wissenschaftler, notwendigerweise im Zweifel gelassen fühlen und auf weitere Studien angewiesen zu sein. Sind PCR-Tests nützlich, relevant, zuverlässig oder sind sie zu ungenau für den gesundheitlichen Einsatz, für den sie von der Anti-Covid-19-Politik vorgesehen waren?
In Ermangelung einer eindeutigen Antwort hat die unabhängige Überprüfung des Corman-Drosten-Papiers einen wichtigen Kritikpunkt isoliert, den die Kritiker bisher nicht angesprochen haben: die Frage nach der Schwelle der Infektion und der Infektiosität, die dem positiven Ergebnis entspricht:
Ein schwerwiegender Fehler ist die Auslassung eines Ct-Wertes, bei dem eine Probe als positiv und negativ angesehen wird. Dieser Ct-Wert ist ebenfalls nicht in den Folgeanträgen enthalten, wodurch der Test als spezifisches Diagnoseinstrument zur Identifizierung von SARS-CoV-2 ungeeignet ist. (Borger et al. S. 21)
Wollte man das Problem etwas überspitzt formulieren, so könnte man denken: Die Virologen stellten mit ihrem Test zwar ein hochempfindliches Thermometer zur Verfügung um die Temperatur der Umgebung zu messen, aber sie versäumten es, eine Skala auf das Messgerät aufzudrucken und die Temperatur zu definieren, nach der sie eigentlich suchen sollten. Sicherlich zeigt dieses Thermometer immer eine Temperatur an, aber die Interpretation dieser Temperatur bleibt dann dem Benutzer überlassen. Bei einigen kocht so das Wasser bei 30 Grad, bei anderen erst bei 40 und bei wieder anderen bei über 50.
Die Studie der Universität Essen-Duisburg versucht die Zufälligkeit solcher disparaten Bewertungen zu überwinden, indem sie eine vereinheitlichte, praxistaugliche Messskala vorschlägt. Zu diesem Zweck wurde eine Studie von 190.000 Testergebnissen (von 162.457 Einwohnern der Region Münster) nachträglich nach Ct-Werten ausgewertet. Der Ct-Wert gibt die Anzahl der Amplifikationszyklen an, die erforderlich sind, um die Probe als positiv zu bewerten.
Eine erste Beobachtung zeigte, dass in der ersten Phase des Großtests symptomatische Personen durchweg einen niedrigeren Ct-Wert hatten als asymptomatische Personen. In der zweiten Testphase stellte sich heraus, dass symptomatische Personen, d. h. Personen, die tatsächlich infiziert waren, Ct-Werte deutlich unter 25,5 aufwiesen, während asymptomatische Personen durchweg über diesem Grenzwert lagen. Umgekehrt konnte bei denjenigen, die positiv getestet wurden, aber keine Symptome aufwiesen, ein mittlerer Ct-Wert von 29,9 Zyklen ermittelt werden. Die Autoren schlussfolgern:
In Anbetracht unserer Erkenntnisse, dass es unwahrscheinlich ist, dass mehr als die Hälfte der PCR-positiven Personen infektiös waren, sollte die RTPCR-Positivität nicht als genaues Maß für die infektiöse Inzidenz von SARS-CoV-2 angesehen werden. (Strang et al.)
Wäre also die routinemäßige Angabe von Ct-Werten ein Weg, um RT-PCR-Tests aussagekräftiger zu machen?
Nicht unbedingt, da diese Werte nicht direkt zwischen verschiedenen Testkits vergleichbar sind. Außerdem können sie sich mit den Entnahmeverfahren, der Transportzeit und den Lagerbedingungen sowie der Zeit vor der Laborauswertung ändern.
Wenn Grundrechte wie die Gewerbefreiheit, die persönliche Freiheit, die Unverletzlichkeit der Wohnung oder das Versammlungsrecht nicht außerhalb der „Erfordernisse der Rationalität, der Angemessenheit und der Verhältnismäßigkeit“3 beeinträchtigt oder unterdrückt werden können, erfüllen RT-PCR-Tests diese Anforderungen sicherlich nicht.
Kehren wir also zurück zum „follow the science“ oder „follow the facts“-Motto der scheinbar faktenbasierten politischen Entscheidungen.
Wenn die verfassungsrechtlich riskanten und freiheitsfeindlichen Anti-Covid-Gesetze und -Maßnahmen auf Fakten beruhen die nach und nach gekippt werden, stellt sich die Frage, was genau die Grundlage der aktuellen Gesundheitspolitik ist.
Denn offensichtlich folgt diese Politik nicht mehr der Wissenschaft (ist sie ihr jemals gefolgt?) und hat sich progressiv von den einzigen Fakten, aus denen sie ihre Legitimation ableiten konnte, losgelöst.
Dann stellt sich aber die dringende Frage: Worum geht es solcher Gesundheitspolitik? Die Antwort auf diese Frage ist sicher nicht in den öffentlichen Reden der politischen Entscheidungsträger, ihrer Experten und hohen Beamten zu finden.
Man kommt hier nicht umhin sofort an die „Mitnahmeeffekte“ zu denken, „die viele Regierungen zumindest anfangs geschickt zu nutzen wussten“ und die ihren konkretesten Ausdruck im deutschen Skandal der 11,5 Millionen Euro Maskenprovisionen finden4.
Erwähnen wir am Rande auch die Hunderte von Millionen Euro, die hier in Luxemburg für eine Testkampagne ausgegeben wurden, welche mehr oder weniger zufällig bestimmten privaten Akteuren zugute kam. So konnten mit der Strategie privatwirtschaftlicher Verträge öffentliche Ausgaben mit dem Schleier des „Geschäftsgeheimnisses“ verdeckt ausgeführt wurden. Durch solche Public-private-Partnershipskönnen Politiker öffentliche Gelder wie Privateigentum verwalten und jeder demokratischen Rechenschaftspflicht entgehen. Wie Enthüllungen aus anderen europäischen Ländern gezeigt haben, werden diese Mitnahmeeffekte bestimmten politischen Vertretern und Amtsträgern saftige Einkommenszuschläge beschert haben. There’s no business like Corona business.
Für andere wiederum wird die Pandemiezeit ein unerwartet einflussreicher Wahlkampf gewesen sein, der für sensationelle Sendezeit und eine sonst schwer zu erreichbare Popularität gesorgt hat. Auch in dieser Hinsicht scheint eine Ausweitung der verschiedenen Krisenzustände, der Politik der Angst und des politischen Marketings ohne jeden Bezug zu den Fakten mehr als wünschenswert.
Vor allem wird die Krise so viele Programme beschleunigt und die Entwicklung des „Innovationswettlaufs“ von der Digitalisierung der Arbeit, der Bildung und der öffentlichen Verwaltung bis hin zur Forschung in einer beispiellosen Verallgemeinerung des technologischen Solutionismus vorangetrieben haben:
Der Solutionismus geht von den Problemen aus, die er zu lösen versucht, anstatt sie zu untersuchen, und sucht „die Antwort, bevor die Fragen vollständig gestellt wurden.“ Darin liegt eine versteckte Gefahr des Solutionismus: Die schnellen Lösungen, mit denen er hausieren geht, existieren nicht in einem politischen Vakuum. (Morozov, 2013)
Es wird wahrscheinlich Jahre der kritischen Analyse brauchen, um die politische und wirtschaftliche Dynamik dieser Pandemie besser zu verstehen. Aber wir können schon mit Barabra Stiegler übereinstimmen, dass vieles von diesem Windfall wirklich nur die Effekte des politischen Pragmatismus, d.h. der üblichen ‚politischen Korruption’, angesichts des Ausnahmefalls einer schwer verständlichen Pandemie ist. Es wäre vielleicht nicht unwahrscheinlich, dass sich letztere am Ende als eine seltsame, mehr oder weniger gefährliche Mischung aus vorübergehender Panik und großflächigen Mimikry-Effekten einer komplexen Konstruktion entpuppt, „in der die Demokratie selbst, in der Pandemie, zu einem fragwürdigen Objekt geworden ist“ (Stiegler, op. cit.):
Bei dem Versuch eine machtvolle Verschwörung zu rekonstruieren, würde man der Macht viel Rationalität verleihen, die ihr unter den gegebenen Umständen in einzigartiger Weise fehlte. Im Gegensatz zur taktischen Intelligenz müssen wir eher auf die Angst schauen, die oft das Hauptmotiv für große Niederlagen ist. Diese Regierung, die von diesem Zeitpunkt an systematisch durch Angst regiert, ist selbst von diesem Zeitpunkt an durch Angst regiert worden. Natürlich durch die panische Angst vor dem Virus, aber auch durch die Angst vor einer sozialen Revolte.
Vielleicht wird sich diese Pandemie eines Tages vor allem als eine mächtige Kombination aus Angst und politisiertem Falschwissen manifestieren, die die Macht und ihre Experten in eine „Zustimmungsfabrik“ verwandelte und das Verhalten einer infantilisierten und verängstigten Öffentlichkeit mit allen Mitteln der Massenpsychologie und Propagandatechniken zu modifizieren versuchte.
Bei dieser Bewegung werden sich einige politische Vertreter und ihre Verbündeten aus der Wirtschaft sicherlich an Donald Trumps berühmten Wahlkampfspruch in Iowa erinnert haben: „Ich könnte mich mitten auf die Fifth Avenue stellen und jemanden erschießen, ohne Wähler zu verlieren.“ (23. Januar 2016)
Die Entscheidungsträger wissen jetzt, dass sie ihre Wähler auf die schamloseste Weise belügen, manipulieren, missbrauchen und trotzdem auf den höchsten Rängen der ‚Politbarometer‘ für öffentliche Beliebtheit und Vertrauen landen können.
Wetten wir, dass diese Lektion gelernt wurde!
Literatur
- Borger, P. et al. (2020). External peer review of the RTPCR test to detect SARS-CoV-2 reveals 10 major scientific flaws at the molecular and methodological level : Consequences for false positive results. https://doi.org/10.5281/zenodo.4298004
- Borger, et al. (2021). Addendum—Corman Drosten Review Report by an International Consortium of Scientists in Life Sciences (ICSLS). https://doi.org/10.5281/zenodo.4433503
- Crouch, C. (2000). Coping with Post-democracy. Fabian Society.
- Crouch C. (2004), Post-Democracy. Polity Press, Cambridge/Malden.
- Laurent et al. (2009). Pourquoi s’intéresser à la notion d’ « evidence-based policy » ? Revue Tiers Monde, n° 200(4), 853‑873.
- Fassin, Y. (2021). Research on Covid-19 : A disruptive phenomenon for bibliometrics. Scientometrics, 126(6), 5305‑5319. https://doi.org/10.1007/s11192-021-03989-w
- Morozov, E. (2013). To save everything, click here : The folly of technological solutionism. Public Affairs.
- Stang et al. (2021). The performance of the SARS-CoV-2 RT-PCR test as a tool for detecting SARS-CoV-2 infection in the population. Journal of Infection. https://doi.org/10.1016/j.jinf.2021.05.022
- Wilmes, et al. (2021). SARS-CoV-2 transmission risk from asymptomatic carriers : Results from a mass screening programme in Luxembourg. The Lancet Regional Health – Europe, 4. https://doi.org/10.1016/j.lanepe.2021.100056
- Stiegler, B. (2021). De la démocratie en Pandémie : Santé, recherche, éducation. Gallimard.
Fußnoten
- https://www.rtl.lu/tele/kloertext/a/1686952.html ↩︎
- S.Th. Simonelli : „Die kleinen Arrangements einer großen Teststrategie” https://www.expressis-verbis.lu/2021/06/01/die-kleinen-arrangements-einer-grossen-inszenierung/ ↩︎
- Arrêt 9/00 du 5 mai 2000 Cour Constitutionnelle, Mémorial A- 40 du 30 mai 2000, p. 948 ↩︎
- S. « Die Pandemie-Profiteure ». 19. April 2021, Süddeustche Zeitung. https://www.sueddeutsche.de/bayern/masken-deal-sauter-nuesslein-elfeinhalb-millionen-euro-1.5269605 ↩