Weitergehen, es gibt hier nichts zu sehen!

Anmerkung der Redaktion: Am 05. März 2021 haben wir diesen Artikel an die luxemburgischen Medien weitergeleitet, weil wir davon ausgingen, dass diese Informationen für sie von Interesse sein müssten. Wir bedanken uns herzlich bei H. François Aulner von RTL, dafür dass er unser Angebot aufgegriffen hat, für sein Interesse und seine Zeit.

Expressis-Verbis

Auf der offiziellen Covid19-Seite der Santé kann man auf der Seite der Grafiken [1] eine Reihe Statistiken bewundern. Es fällt auf, dass das Startdatum jeweils unterschiedlich ist. Manche beginnen Ende Februar, als die ersten Tests anliefen, andere etwas später, wie beispielsweise die Positivenrate der PCR-Tests, die erst am 27. März startet:

Wieso eigentlich?

Versuchen wir, die Grafik vor diesem Zeitpunk zu rekonstruieren. Die Daten liefert der Teil des Quelltextes der Seite, welcher für die Grafik “Tests COVID-19” verantwortlich ist. „Graceful degradation“, eine in Web-Developer-Kreisen bekannte Technik, sorgt dafür, dass Webseiten mit erweiterter Funktionalität auch in weniger leistungsfähigen Browsern immer noch sinnvoll dargestellt werden. Die Daten welche für das Rendern der interaktiven Grafiken benötigt werden, liegen im Quelltext als (HTML-) Tabelle vor.

Daraus können wir aus den Werten für Gesamtzahl sowie der Anzahl positiver Tests die Positivenrate berechnen (hellblau). Wir haben diese Daten noch mit dem gleitenden Mittelwert über 7 Tage geglättet (dunkelblau). Der Bereich welcher dem Anfangsbereich der vorherigen Grafik entspricht, ist grau schraffiert gezeichnet (ab 27. März 2020).

Bei der ersten Welle im März 2020 wurden ausschließlich symptomatische Personen getestet. Die Zeitdifferenz zwischen Infektion und Eingang in die Statistik wird mit 8 Tagen angegeben [2]. Entsprechend kann der Effekt einer nicht pharmazeutischen Maßnahme (nonpharmaceutical intervention – NPI) sich frühestens nach 8 Tagen bei den gemeldeten Fällen bemerkbar machen.

Trägt man nun die Daten für den Lockdown ein (16. März) und betrachtet dazu auch den Zeitpunkt 8 Tage später (24. März), so stellt man fest, dass das Maximum der Positivenrate der PCR-Tests bereits vorher (ca. 21. März) eintrat, und dass es somit keinen kausalen Zusammenhang zwischen Lockdown und Eindämmung der ersten Welle geben kann.

Bestätigt wird dies durch eine auf der Entwickler-Plattform „GitHub“ von Research Luxembourg gezeigte Graphik, welche die Berechnung der Reproduktionszahl Rt unter Berücksichtigung dieser Zeitkorrektur darstellt [2]:

Note: during COVID-19 pandemics, there is a delay from infection to detection during to latency, sampling times and so on. Hence, it is necessary to refer all data to their true infection time. Here, we assume constant shift. By comparison with more advanced nowcasting procedures (e.g. RKI’s), we estimated such shift to be equal 8±1 days. Hence, be aware that we are looking at the past. This is considered in plots below.

Research Luxembourg: Real time Rt estimation

Die mit „Smoothed Infected“ bezeichnete rote Kurve zeigt die absolute Anzahl an Neuinfektionen im Gegensatz zu der blauen Kurve der „Smoothed Detected“, welche erst 8 Tage später in der Statistik registriert werden. Die zeitkorrigierte Reproduktionszahl (untere Grafik) fiel entsprechend bereits mindestens seit dem 9. März und erreichte schon am 19. März den Wert 1.

Dass hier das Maximum der blauen Kurve etwas später (ca. 26. März) als im Vergleich zum Maximum der Positivenrate (21. März) eintritt, erklärt sich dadurch, dass in diesem Zeitabschnitt die Anzahl der Tests stark anstieg und somit auch mehr Positive gefunden wurden. Während die Positivenrate bereits wieder abfiel, stieg die absolute Zahl der positiven Tests noch 5 Tage lang weiter. Die folgende Grafik zeigt die Evolution dieser beiden Größen: Positivenrate (blau gestrichelt) sowie über 7 Tage gleitender Mittelwert (blau kontinuierlich), jeweils linke Skale und absolute Zahl an positiven Tests (rot gestrichelt) sowie über 7 Tage gleitender Mittelwert (rot kontinuierlich), jeweils rechte Skala.

Die Kurve der Reproduktionszahl wird hingegen auf der offiziellen Covid19-Webseite [1] anders dargestellt. Die Grafik, beginnend am 18. März, zeigt die Reproduktionszahl welche erst am 30. März den Wert 1 durchschreitet!

Wieso war dieser Kunstgriff nötig, die fehlenden Daten vor dem 27. März umständlich im HTML-Quelltext der Webseite zu sammeln, wo es doch offizielle Datenquellen gibt? Ja, diese Quellen gibt es! Aus einem unerklärlichen Grund wurden allerdings die Daten bis einschließlich dem 16. März gelöscht. Der Screenshot zeigt die auf data.public.lu [3] herunter ladbare Datei, welche sowohl im Excel- als auch im CSV-Format angeboten wird.

Auch für Deutschland beispielsweise, konnte gezeigt werden [4], dass die Reproduktionszahl bereits vor dem Lockdown auf unter eins gefallen war. Vergleichbar mit Luxemburg wurde das Maximum der positiven Fälle am 29. März erreicht, das Maximum der entsprechenden Infektionen wird hier schon auf den 12. März datiert, da man von einem Nachlauf bis zum Eingang in die Statistik von durchschnittlich sogar 17 Tagen ausgeht.

Mittlerweile gibt es darüberhinaus eine ganze Reihe von Studien, welche den Nutzen von Lockdowns in Frage stellen. Stellvertretend sei an dieser Stelle eine Arbeit erwähnt, an der auch der renommierte Professor John P. A. Ioannidis beteiligt war [5]. Sie vergleicht 11 Länder mit teilweise sehr unterschiedlichen NPIs und kommt zum Schluss:

While small benefits cannot be excluded, we do not find significant benefits on case growth of more restrictive NPIs. Similar reductions in case growth may be achievable with less-restrictive interventions.

Fazit:

In Anbetracht dieser Tatsachen kann es somit als wahrscheinlich angesehen werden dass:

  1. das Maximum der Positivenrate der PCR-Tests bereits am 21. März erreicht wurde. Die Entwicklung der Infektionen hat sich somit selbständig ausgebremst und der Lockdown war hierfür nicht die Ursache.
  2. durch die Veröffentlichung der Grafik der zeitkorrigierten Reproduktionszahl von Research Luxembourg auf der GitHub-Plattform zumindest die Task Force, und somit aller Wahrscheinlichkeit auch die Regierung, in vollem Umfang Kenntnis über den unter Punkt 1. beschriebenen Tatbestand hat.
  3. die Darstellung der Reproduktionszahl in den offiziellen Veröffentlichungen verfälscht, weil zeitversetzt, wiedergegeben wurde.
  4. die Daten von vor dem Lockdown nachträglich gelöscht wurden.

Müßig, in der Konsequenz zu schlussfolgern, dass eine Infektionswelle, welche ohne nennenswerte Maßnahmen von selbst abklingt, dann natürlich auch allen nachfolgenden „nonpharmaceutical interventions“ die Daseinsberechtigung nimmt:

  • Maskenpflicht,
  • Large Scale Testing,
  • Ausgangssperren usw.

Ihr Expressis-Verbis Team

Quellen:

[1] Offizielle Covid19-Webseite – Grafiken
https://covid19.public.lu/fr/graph.html

[2] Research Luxembourg: Real time Rt estimation
https://github.com/ResearchLuxembourg/covid-19_reproductionNumber/blob/master/src/estimation_R_eff.ipynb

[3] data.public.lu: Données COVID19
https://data.public.lu/fr/datasets/donnees-covid19/

[4] Stefan Homburg: Evidenz zur Coronainfektion und der Wirkung des Lockdown Discussion Paper No. 670, ISSN 0949-9962
http://diskussionspapiere.wiwi.uni-hannover.de/pdf_bib/dp-670.pdf

[5] Assessing mandatory stay-at-home and business closure effects on the spread of COVID-19
https://onlinelibrary.wiley.com/doi/epdf/10.1111/eci.13484

Dieser Artikel wurde in deutscher Sprache verfasst und wird in Französisch und Englisch übersetzt.